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Musteranfrage an die Beschwerdekammer am Europäischen Patentamt (Einfach kopieren und anpassen)

7. Juli 2010 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Gentechnik - Landwirtschaft - Ernährung

 

Adresse

 

 

 

An die

Große Beschwerdekammer am

Europäischen Patentamt

 80298 München

Deutschland

 

 

 

Stellungnahme zum Fall G 01/08 „wrinkled tomato“, EP 1211926

 

Sehr geehrte Damen und Herren der Großen Beschwerdekammer,

 

Ich bin sehr besorgt über die Art von Patenten, wie sie derzeit vom Europäischen Patentamt erteilt werden. Im Falle der Erteilung des Patentes EP 1211926 wurden verschiedene Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) verletzt. Vor allem verstößt das Patent gegen die Bestimmungen des Art 53 b, EPÜ und das Verbot der Patentierung von „im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren.“

Zudem eröffnet das Patent die Möglichkeit zur Biopiraterie, weil mit dem Patent jegliche Kreuzung von handelsüblichen Tomaten mit regionalen Sorten oder Wildformen beansprucht wird, wenn dadurch der Wassergehalt in den Früchten verringert wird. Die im Patent besonders herausgehobene Unterart Lycopersicon hirsutum kommt ursprünglich in südlichen Landesteilen von Ecuador und Zentral Peru vor und ist wirtschaftlich besonders interessant, weil sie gegen viele Krankheiten resistent ist. Diese Unterart würde zu großen Teilen monopolisiert, wenn das Patent aufrecht erhalten bleibt.

Die Große Beschwerdekammer sollte bei ihren Überlegungen auch die weltweit steigenden Lebensmittelpreise berücksichtigen. Patente wie diejenigen, die im Rahmen von G2/07 und G1/08 diskutiert werden, erstrecken sich über die ganze Produktionskette bis hin zum Lebensmittel, es ist nicht unwahrscheinlich, dass dadurch auch höhere Preise auf den internationalen Märkten entstehen und so zusätzliche Kosten für die Nahrungsmittelversorgung in den Entwicklungsländern verursacht werden. Vor diesem Hintergrund dürfen Ausnahmen von der Patentierbarkeit im Umfeld der Saatgutproduktion und Pflanzenzüchtung nicht eng ausgelegt werden, sondern müssen, ähnlich wie die Bestimmungen von Art 53 c (Verbot der Patentierung von therapeutischen und diagnostischen Verfahren) breit ausgelegt werden, um sicher zu stellen, dass der Zugang zu wichtigen Grundversorgungsmitteln nicht durch Patente blockiert oder unnötig verteuert werden kann.

In Bezug auf die rechtliche Situation ist es offensichtlich, dass der Patentinhaber in einer schwierigen Lage ist, da das Patent einfach die normalen Verfahren von Kreuzung und Selektion nutzt. Es gibt keine wirkliche technische Hürde bei einer Kreuzung von Unterarten der Tomate, im Patent wird dazu nichts dargelegt. Auch ist es ein ganz normaler züchterischer Vorgang, wenn Pflanzen nach einer Kreuzung anhand von bestimmten Merkmalen, wie die in diesem Falle eine besonders faltige Haut, ausgewählt werden. Im Kern geht es in diesem Patent also um nichts anderes als um normale Kreuzung und Selektion, also eindeutig um im wesentlichen biologische Verfahren. Das Ergebnis dieser Züchtung sind nichts anderes als neue Pflanzensorten, wie sie in der Entscheidung G1/98 und der Regel 26 (4), EPÜ, definiert sind. Daher wird in diesem Patent genau das beansprucht, was nach Artikel 53 b, EPC nicht patentiert werden kann.

Da bereits im Fall G2/07 ausführlich diskutiert wurde, wie Regel 26 (5), EPÜ in diesem Zusammenhang interpretiert werden soll, sollte die Große Beschwerdekammer berücksichtigen, dass das Europäische Parlament 1998 bereits eine relativ klare Definition für „im Wesentlichen biologische Verfahren“ gefunden hat. Die ursprüngliche Definition, die auch in zweiter Lesung angenommen wurde, lautet: “A procedure for the breeding of plants and animals shall be defined as essentially biological if it is based on crossing and selection.” Diese Definition sollte bei der Auslegung der Bestimmungen der aktuellen Regeln des EPÜ entscheidend sein, da sie unmittelbar mit der Geschichte der Regel 26 (5) EPÜ zusammenhängt und vom in diesem Zusammenhang wichtigsten Gesetzgeber in der EU angenommen wurde. Das aber bedeutet, dass die Erteilung der Patente, die derzeit unter G2/07 und G1/08 diskutiert werden, ganz eindeutig gegen das EPÜ verstößt.

Von einem ganz generellen Standpunkt aus, ist es zudem nicht akzeptabel, dass der Gebrauch von Gen-Markern oder die Auswahl von Pflanzen oder Tieren anhand von irgendwelchen äußeren Merkmalen als Verfahren zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren angesehen werden. Derartige Verfahren können bei Pflanzen und Tieren angewendet werden, aber sind in keiner Weise als Verfahren zur Erzeugung anzusehen. Wenn diese grundsätzliche Unterscheidung bei der Prüfung und Erteilung von Patenten nicht berücksichtigt wird, würde das zu einer Situation führen, in der schon ein geringfügiger technischer Aufwand dazu führt, dass Pflanzen und Tiere als Erfindungen angesehen werden können, mit der Folge, dass sogar alle nachfolgenden Generationen von entsprechenden Patenten  betroffen wären (siehe Artikel 8, 2 der EU Richtlinie „Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen“ 98/44). Damit würde das Patentrecht zu einem ungerechten Instrument der Aneignung der Lebensgrundlagen, wie der Erzeugung von Nahrungsmitteln, von Saatgut, von Pflanzen und Tieren. Das Patentrecht muss eine echte Balance zwischen den Interessen der Zivilgesellschaft und denen der Patentinhaber finden, wenn es seine Rechtfertigung nicht verlieren will.

Vor diesem Hintergrund sollten die Fragen, die an die Große Beschwerdekammer gerichtet wurden, relativ einfach zu beantworten sein. Patente auf „im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren“ dürfen in Europa nicht erteilt werden, die beiden Patente, die unter G2/07 und G1/08 diskutiert werden, fallen unter dieses Verbot und können nicht aufrecht erhalten werden.

Mit freundlichen Grüßen,

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