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Neue Freunde

2. April 2011 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Literatur | Zeitschriften | Ausstellungen

Normalisierung der »Neuen Rechten«

Bürgerliche Leitmedien machen die »Neue Rechte« salonfähig. Das Wochenmagazin »Focus«, die »Süddeutsche Zeitung« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« schlagen sich auf die Seite der
rechten Antidemokraten.

Solange die »Junge Freiheit« (JF) ein Blättchen für LeserInnen aus der extremen Rechten war, blieb ihre Reichweite und ihr publizistischer Einfluss gering, sie war ein Selbstverständigungs- und Diskussionsblatt für die »Neue Rechte« ohne nennenswertes Gewicht. Auch deren Autoren blieben solange unbedeutend, wie ihre Texte allein in der JF oder bei rechten Kleinverlagen erschienen. Denn bis heute wurde diese politische Strömung – zu Recht – ihr braunes Image nicht los. Schützenhilfe auf dem Weg zur Normalisierung und zur Anerkennung der »Neuen Rechten« als legitime Strömung in der politischen Debatte kommt nun von drei der wichtigsten deutschen Leitmedien, der liberalen »Süddeutschen Zeitung« (SZ), der konservativen »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) und dem Wochenmagazin »Focus«.

»Süddeutsche Zeitung«
»Sehr geehrte Damen und Herren, die Süddeutsche Zeitung druckte in ihrer Wochenendausgabe vom 2./3. Oktober eine großformatige Werbeanzeige der Berliner Wochenzeitung ›Junge Freiheit‹«, beginnt ein Leserbrief, der das Anzeigengeschäft der liberalen SZ mit der JF kritisiert. Unterzeichnet ist er unter anderem von dem ehemaligen stellvertretenden Generalsekretär des Deutsch-Französischen Jugendwerks Prof. Dr. Michel Cullin, von Prof. Dr. Frank Deppe, von Prof. Dr. Wolfgang Fritz Haug und vom Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland Dr. Klaus Holz. »Die ›Junge Freiheit‹ ist das Flaggschiff der extrem rechten Publizistik in Deutschland«, erklären sie, erstaunt über diese Anzeige in der SZ, »das sich seit geraumer Zeit in einer bürgerlich-konservativen Verpackung zu verkaufen versucht. Sie bietet all jenen eine Plattform, denen die NPD und Straßennazis zu primitiv sind und die ihren Nationalchauvinismus gerne mit einem gewissen kulturellen Niveau verbrämen.« Abgedruckt wurde dieser Leserbrief von der SZ jedoch nicht. Dafür äußerte sich 14 Tage später der SZ-Autor Marc Felix Serrao. Formal weist er daraufhin, das Anzeigengeschäft sei von der Redaktion getrennt. Im Fall der JF-Anzeige muss aber wohl vorher doch die Meinung der Chefredaktion eingeholt worden sein. Denn Serrao erklärt, diese habe »dem Abdruck […] einzig und allein deshalb zugestimmt, weil der Veröffentlichung – derzeit – keine Gründe entgegenstanden, die gravierend genug gewesen wären, um diese zu verhindern. Ein Veto wäre nur angebracht gewesen, wenn die Junge Freiheit nachweislich eine verfassungsfeindliche Ideologie verbreiten würde oder ihre Berichterstattung gegen die freiheitliche und demokratische Ordnung unseres Landes gerichtet wäre.« Die JF sei, so Serrao »in einem Milieu beheimatet […], das politisch so umstritten wie schwer zu verorten ist«. Und während der JF-Chefredakteur sein Blatt »schlicht ›konservativ‹« nenne, würden Kritiker dies zurückweisen. Kurz erklärt Serrao auch, wer diese Kritiker seien: »vor allem linke Politiker und antifaschistische Gruppen«. Für ihn ist die JF jedoch »eine Stimme der demokratischen Rechten in diesem Land […]. Wer sie liest, stößt darin zwar oftmals auf einen sehr lauten, unreflektierten Patriotismusbegriff und eine ausgeprägte Fremdenangst«, schreibt Serrao: »Dennoch wäre es falsch, ja, feige, dem Blatt deshalb das Existenzrecht – und dazu gehört zweifelsohne auch die Werbung – abzusprechen. Sich mit Andersdenkenden journalistisch auseinanderzusetzen, gehört zu den Aufgaben der SZ-Redaktion. Die Zensur ihrer Anzeigen gehört nicht dazu.« Dabei verkennt Serrao ohne Zweifel den Charakter der Wochenzeitung. Und dies ist ein Grundproblem des Autors, wenn er über das Spektrum rechts der Union schreibt. In einem Artikel über eine antifaschistische Kampagne gegen extrem rechte Zeitungen an Kiosken nennt er die JF beschönigend »rechtskonservativ«, die antifaschistische Initiative dagegen in diffamierender Absicht
einen »Bund der Vertreibenden«. Das neu-rechte Blog »Blaue Narzisse« von Felix Menzel hält er schlicht für »konservativ«, dabei ordnet sich die Seite selbst im so genannten »neu rechten« Lager ein. Abstrus wurde die Berichterstattung der SZ, als Serrao auf einer halben Seite über eine Geschichte aus der sächsischen Provinz berichtete. Eine Schule wollte ein Wandbild von Benjamin Jahn Zschocke übermalen. Formaler Grund: ein kleines Keltenkreuz. Ein gesuchter Anlass, das weiß auch Serrao zu berichten. Denn Zschocke ist nicht nur Künstler, sondern Mitgründer der neu-rechten Zeitschrift »Blaue Narzisse«, war Mitglied der Pennälerverbindung »Theodor Körner«, Geschäftsführer der Fraktion »Die Republikaner« (REP) im Chemnitzer Stadtrat und sitzt heute für »Pro Chemnitz« im Kommunalparlament. Serrao nennt den Streit um das Bild »bizarr«. Bizarr ist aber vor allem, dass eine solche Geschichte in einer bundesweiten Zeitung auf einer halben Seite goutiert wird. Bereits im September 2008 porträtierte Serrao auf einer ganzen Seite in der SZ Götz Kubitschek. Brav charakterisiert der Journalist den Mitbegründer des »neu rechten« »Instituts für Staatspolitik« (IfS), Betreiber des »Antaios« Verlages und Anführer der »Konservativ Subversiven Aktion« (KSA). Kubitschek darf über sich sagen, er sei ein Konservativer, während es die Linken, »allen voran die Antifa«, sei, die ihn und »seine Freunde als ›Salonfaschisten‹« bezeichnen. Eine kritische Auseinandersetzung sucht man vergeblich in dem Artikel. Vielmehr geht Serrao der Selbstinszenierung des Leutnants der Reserve auf den Leim. Die Überschrift des Porträts heißt: »Der kalte Blick von rechts« – und knüpft damit an den Essay »Der faschistische Stil« von Armin Mohler an, der einen »kalten Stil« zu einem Merkmal des Faschismus erklärte.

»Frankfurter Allgemeine Zeitung«
Während die Anzeige in der liberalen SZ und die prononcierten Positionierungen ihres Journalisten Serrao zur »Neuen Rechten« noch verwundern, fanden sich in den letzten Jahren immer wieder Anzeigen der JF und ihrer Unterstützungskampagnen in der konservativen, großbürgerlichen FAZ. Dieselbe Anzeige wie in der SZ schaltete die JF Anfang Oktober 2010 auch dort. Vorsichtig ließe sich sagen, dass es – bei allen Differenzen – gewisse politische Anknüpfungspunkte zwischen den Blättern gibt. Denn in der FAZ schreiben seit Jahren immer wieder Autoren der »Neuen Rechten«, meist jedoch versteckt, wie beispielsweise im September 2010 Till Kinzel (s. DRR Nr. 115) auf den Wirtschaftsseiten. Zudem finden sich in unregelmäßigen Abständen freundliche Besprechungen von Büchern und Zeitschriften aus dem »neu rechten« Milieu, unauffällig eingestreut zwischen den zahlreichen politischen Rezensionen des Blatts.

»Focus«
Das Wochenmagazin »Focus« setzt seit einigen Monaten offensiv auf das Milieu der »Neuen Rechten«. Im September 2010 führte das Blatt die hervorgehobene neue Rubrik »Debatte« ein. Verantwortlicher Redakteur für diese Seiten wurde der Journalist Michael Klonovsky (s. DRR Nr. 110 und DRR Nr. 112). Seine Berufung auf diese publizistisch prononcierte Stelle zeigt deutlich den Rechtsschwenk des Blattes. Denn Klonovsky ist sowohl in seinen politischen Positionierungen als auch in seiner publizistischen Einbindung im Milieu der »Neuen Rechten« zu verorten. Er unterstützt im seriösen Medienbetrieb die »Neue Rechte« bei ihren Kam pagnen gegen Linke und bei ihrem Versuch, rechte Pflöcke in die politischen Debatten einzuschlagen. Mit seiner Ernennung zum Debatten-Chef sind seine Möglichkeiten dafür gewachsen. »Derweil sie ›Gesicht zeigen gegen rechts‹, senken sie furchtsam den Blick, wenn Ali und Achmed dräuen; derweil sie bekämpfen, was sich nicht wehren kann – tote Nazis, Kriegsgeneration, katholische Kirche, Burschenschaften, ›Junge Freiheit‹ – geht ihnen in der U-Bahn, der Diskothek und auf dem abendlichen Heimweg die Muffe vor Mustafa und Hassan.« Mit Aphorismen wie diesem stürzt sich Klonovsky auf seiner Website in den Kampf gegen Linke, Feminismus, ´68er, MigrantInnen, »political correctness« und die verhasste Moderne.

Klonovsky ist schon seit Jahren in das publizistische Netz der »Neuen Rechten« eingebunden. Das »neu rechte« Internetportal »Blaue Narzisse« (s. DRR Nr. 105) interviewte ihn ebenso wie schon 2005 und 2008 die JF. Im Gespräch plauderte Klonovsky 2005 über den Erhalt deutscher Kultur, Gottfried Benn, »political correctness« und die Gefahr von links. Und 2008 ließ er sich im Gespräch mit der Zeitung ausführlich über den Fall des Thüringer Landtagsabgeordneten Peter Krause (CDU) aus, der es aufgrund seiner früheren Redakteurstätigkeit bei der JF nicht ins Amt des Kultusministers brachte. 2006 unterzeichnete er den »Appell für die Pressefreiheit«, der sich gegen die Ausladung der JF von der Leipziger Buchmesse aussprach. Seit 2008 schreibt er außerdem regelmäßig in dem radikalen Rechtsblatt »eigentümlich frei« (ef). Dort erteilt er der Vorstellung menschlicher Gleichheit eine klare Absage. Zudem geht er von der Existenz unterschiedlich begabter menschlicher »Rassen« aus: »Man will uns etwa einreden, […] alle Rassen seien identisch begabt (auch wenn Studien und Realitäten gewisse Unterschiede zeigen), alle Kulturen gleichwertig« (ef, Nr. 81). Sein Weltbild ist durch und durch biologistisch und elitär: »…in unserer immer mehr von einheimischen Prolls und eingewanderten Fellachen geprägten, zutiefst elitenfeindlichen Gesellschaft ist die nach unten weisende Verähnlichung ihrer Mitglieder beachtlich weit fortgeschritten« (ebd). Klonovskys Vorbild ist der erzreaktionäre kolumbianische Dichter Nicolás Gómez Dávila (s. DRR Nr. 114), dessen Buch mit Aphorismen er 2007 bei »Reclam« herausgab. Bereits 2006 schrieb er im »Focus« eine ausführliche Lobhudelei auf den Dichter, der in seiner Jugend der faschistischen »Action Française« nahe stand und heute von der »Neuen Rechten« verehrt wird. Die Texte von Klonovsky schaffen ihm Freunde in der gesamten extremen Rechten. Sowohl die österreichische Zeitschrift »Neue Ordnung« als auch die »Preußische Allgemeine Zeitung« zitierten begeistert seinen Einzeiler: »Wer von der Behandlung der deutschen Minderheit im Polen der Zwischenkriegszeit nicht reden will, der soll vom deutschen Angriff auf Polen schweigen.« Im »Focus« betrieb Klonovsky 2007 im Einklang mit der JF Jagd auf Kritiker der »Neuen Rechten«.

Als die beiden SPD-Politiker Stefan Braun und Ute Vogt ihr kritisches Buch über die JF veröffentlichten, versuchten das »neu rechte« Blatt und Klonovsky, die beiden Autoren mit gleichlautenden Argumenten zu diskreditieren. Mehrere von ihnen würden für »linksextreme« Zeitungen schreiben, hieß es. Zum Beleg der Unbedenklichkeit der JF zitierte Klonovsky zwei alte Freunde des »neu rechten« Milieus, Peter Scholl-Latour und Peter Gauweiler. Die linksliberale »Frankfurter Rundschau« wunderte sich: »Dass [...] das Magazin Focus an der Seite des – selbst nach Einschätzung der bayerischen Verfassungsschützer ›am rechten Rand des demokratischen Spektrums‹ agierenden Blattes – mit Schmutz wirft, ist schon merkwürdig.«

Heute holt Klonovsky die Themen der Rechten prominent auf die Debattenseiten des »Focus«: Pro Sarrazin und christliche Leitkultur, gegen den »Gesinnungsterror der politischen Korrekten«. Und dazwischen dann auch mal Autoren, die man aus anderen Blättchen der Rechten kennt, so zum Beispiel Martin van Creveld, der einen Appell für die JF unterzeichnete und auch schon mal beim IfS referierte. Der »Focus« hat sich somit in den letzten Monaten zum Sprachrohr der Fans von Sarrazin und der rechten Kritiker der CDU/CSU gemacht. Da passte es, dass Klonovsky im September 2010 unter dem Titel »Nation. Familie. Sprache« ein fiktives Parteiprogramm für eine wirklich »konservative« Partei vorlegte. »Volk und Nation« müssten die zentralen Begriffe eines solchen Programms sein, so Klonovsky, ebenso wie »deutsche Leitkultur« statt »Multikulti«.

Von Ernst Kovahl und Felix Bieberich

 

Quelle: DER RECHTE RAND

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