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EisernesKreuz für "außergewöhlich tapfere Taten"?

14. April 2008 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Antimilitarismus

Bundespräsident Horst Köhler ist einverstanden. In Bälde soll es für Soldaten im Auslandseinsatz wieder eine Auszeichnung «für außergewöhnlich tapfere Taten» geben. Verteidigungsminister Franz Josef Jung widerspricht dabei nicht dem Vorsitzenden des Bundeswehr-Reservistenverbandes Reinhard Beck, wonach das Eiserne Kreuz wiedereingeführt werden soll.
Warum soll in Zukunft solches Blech uniformierte Brüste weiblicher und männlicher, lebender wie toter Bundeswehrmitglieder zieren? In der zunehmend auf Kriegskurs segelnden Frankfurter Rundschau hatte es dazu ebenso flapsig wie zutreffend geheißen: Weil die Bundeswehr «ihre Soldaten inzwischen in alle Welt schickt und - anders als früher - auch dahin, wo es brenzlig wird.»
Das Pingpong-Spiel der letzten Tage zwischen Beck, Jung und Köhler war ebenso abgesprochen, wie die Militarisierung unseres Landes kalkuliert und langfristig geplant erfolgt. Kronzeuge dafür ist Volker Rühe, der 1992 als damaliger Verteidigungsminister die Richtung vorgab: «Niemand soll erwarten, dass die Übernahme neuer Aufgaben in der deutschen Außenpolitik über Nacht geschehen kann. Die in 40 Jahren gewachsenen Instinkte der Menschen lassen sich nicht einfach wegkommandieren... Deswegen müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Die gesamte Gesellschaft muss auf die neuen Aufgaben vorbereitet werden.»
Vor 16 Jahren waren Auslandseinsätze der Bundeswehr noch weitgehend tabu. Ein Einsatz auf dem Balkan wurde von Kanzler Kohl «schon aus historischen Gründen» ausgeschlossen. Afghanistan tauchte auf keiner deutschen Generalstabskarte auf. Dann ging es Schlag auf Schlag: Bundeswehreinsatz in Somalia, deutsche Tornados über dem Balkan, deutsche Kriegsbeteiligung im Jugoslawien-Krieg, Bundeswehreinsatz in Afghanistan, deutsche «Ausbildungshilfe» im Irak-Krieg, Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes von Afghanistans Norden zunehmend auf das ganze Land.
Insgesamt waren in den letzten 16 Jahren bereits 200.000 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, 65 von ihnen verloren dort ihr Leben. Das waren noch Betriebsunfälle. Demnächst wird das wieder als Heldentod präsentiert. Das Wort brenzlig steht also zunehmend für aufspüren und verfolgen, bomben und vernichten, sengen und brennen - steht für das klassische Kriegsbusiness.
Nun waren in westdeutschen Kabinetten unter Kanzler Adenauer echte Nazi-Minister vertreten. Dagegen ist das Merkel-Kabinett ein ausgesprochen ziviles. Der ehemalige Atom- und Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß war noch militaristischer als der aktuell amtierende Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Warum gab es damals keine Auslandseinsätze, weswegen gibt es sie heute? Die Antwort liegt, wie so oft, in der Ökonomie: Deutschland ist Exportweltmeister. Es hält den EU-Rekord bei den Rüstungsexporten. Die EU ist mit Abstand der größte Wirtschaftsraum der Welt. Diese ökonomische Macht soll nun auch militärisch abgesichert werden. Die unsichtbare Macht des Marktes
wird ergänzt durch die sichtbare Faust des Militärs, verkörpert von Tornados, Leopard-Panzern und Fregatten.
Um diese im Kapitalismus einigermaßen logische Militarisierung auch politisch umzusetzen, bedarf es des Zusammenkommens dreier Komponenten: Erstens einer sozialen Krise mit einer Deklasssierung von Hunderttausenden und einer Existenzangst bei Millionen. Hartz N und Massenerwerbslosigkeit liefern das Menschenmaterial für die Auslandseinsätze. Zumal, wenn die finanziellen Anreize stimmen: 2007 wurden die Vergütungen für Auslandseinsätze deutlich angehoben; 2008 sollen die Prämien für die im Sengen und Brennen besonders gedrillte Einheit KSK massiv gesteigert werden: Bereits nach Abschluss der dreijährigen Ausbildung winkt zukünftig eine Prämie von 10.000 Euro. Zweitens müssen Kriege als «normal» und der immer breiter angelegte Auslandseinsatz der Bundeswehr als Teil einer «Normalisierung» ausgegeben werden. Entsprechend wird das Sengen und Brennen als «Kriegs-Handwerk», das Tun der Soldaten als «Arbeit» und «Job» präsentiert - gerne mit dem Zusatz, es gebe bei der Bundeswehr eine «qualifizierte Ausbildung». Drittens benötigt man Ideologie. Es sei «süß und ehrenvoll für das Vaterland zu sterben», hieß es früher. Inzwischen geht es um «freedom & democracy»; der «Frieden wird stabilisiert», indem «der Terrorismus bekämpft» wird. Wer bei der Verfolgung dieser ehrenwerten Ziele sein Leben riskiert und gegebenenfalls verliert, der verdient die Anerkennung von ganz oben: Er oder sie kriegen einen Orden.
Fast alle sind sich einig: Die neue Auszeichnung für «außerordentliche Tapferkeit» muss her. Allerdings, so einige grüne und sozialdemokratische Bedenkenträger, sei es problematisch, das Eiserne Kreuz wieder zu beleben, da mit diesem 1914-1918 und 1939-1945 die deutschen Soldaten für ihr Sengen und Brennen in Angriffskriegen geehrt wurden. Dagegen schickte die Bundeswehr ihren Professor Michael Wolffsohn ins Gefecht, dessen jüdische Abstammung als kollateralen Nutzen einsetzend. Das Eiserne Kreuz sei «politisch korrekt». 1813 vom preußischen König erstmals gestiftet, symbolisiere es «den nationalen Befreiungskampf gegen Napoleon 18131815 im Geiste der Aufklärung.» Doch selbst wenn man die sechs Millionen (!) verliehenen Eisernen Kreuze aus den zwei Weltkriegen ausklammert, so verschweigt der Historiker Wolffsohn doch ein wichtiges historisches Element: Das Eiserne Kreuz ist direkt abgeleitet vom Ritterkreuz des Deutschen Ordens. Der Deutsche Orden ist eng verbunden mit den Kreuzzügen; ir sofern verstärkt das Symbol die aktuelle anti-islamische Demagogie. Der Deutsche Orden war Träger der deutschen Kolonisierung in Osteuropa, insbesondere im Baltikum. Historisch interessant ist dabei, dass am Beginn der Aktivitäten de Deutschen Ordens ein Feldspital stand. Dieses wurde im Jahr 1190 vor Akkon im «Heiligen Land», in Palästina, eingerichtet.
Am Beginn von Militarismus und Imperialismus stand auch damals eine «humanitäre Aktion».
aus "Zeitung gegen den Krieg" Nr. 26 Frühjahr 2008
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B
ICh halte eine solche ehrung durchaus für sinnvoll. Bisher gab es ja auch hohe auszeichnungen, die aber allesamt mit genügend Dienstzeit "ersessen" werden können. Wenn nun jemand mal unter einsatz seines Lebens seinem Kameraden oder Zivilisten das Leben rettet, ist das nicht was wert? Bis heute wird so eine Leistung praktisch gar nicht gewürdigt. Zumal die neue Auszeichnung  weder Eisernes Kreuz heißen wird, noch so aussehen wird, eher so wie die anderen Bundeswehrorden.
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