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Steine erzählen vom Leben Verdener Juden

16. September 2008 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Historisches


Friedhof am Tag des offenen Denkmals geöffnet / GaW-Schüler engagieren sich Von Susanne Ehrlich
 
VERDEN. Er ist der jüngste Gottesacker Verdens und dennoch längst "veraltet": Erst seit 1834 durften Mitglieder der Verdener jüdischen Gemeinde ihre Toten innerhalb der Stadt bestatten, doch die Beisetzung der letzten Verstorbenen liegt bereits 71 Jahre zurück. Die Instandsetzung des Jüdischen Friedhofs am Ahornweg ist zugleich ein Stück Vergangenheitsbewältigung.

Mehrere Initiativen gingen Hand in Hand bei der Restaurierung des Jüdischen Friedhofs und der Erforschung seiner Geschichte. Der Bremer Hebräischlehrer Günter Schmidt-Bollmann suchte im Verdener Stadtarchiv nach Spuren der jüdischen Vergangenheit und hat sämtliche Grabsteine dokumentiert und übersetzt.

Für rund 50 interessierte Bürger erläuterte er am Tag des offenen Denkmals vor Ort die Ergebnisse seiner Nachforschungen. Bis zum Jahr 1834, so Schmidt-Bollmann, habe es für jüdische Bürger nur so genannte Sammelfriedhöfe gegeben; alle Juden der Region Verden-Walsrode hätten ihre Toten in Hoya bestatten müssen. Erst durch die kostenlose Übertragung eines geeigneten Grundstücks konnte im Jahr 1835 die erste Verdener Jüdin auf Heimatboden beerdigt werden. Die Inschrift auf der Rückseite ihres Grabmales "Dieses ist der erste Grabstein" stehe für den buchstäblichen Stein, der dem Friedhofsgründer Josef Meir und seiner Gemeinde vom Herzen gefallen sei.

Seit diesem Tag erzählen viele Steine von Leben der Verdener Juden, zumeist erfolgreichen und angesehenen Bürgern, zuerst nur in hebräischer, oft auch aramäischer Sprache, später dann auch mit deutschen Lettern, die über Lebensdaten und biografische Details der Verstorbenen informieren.

Schmidt-Bollmann informierte über typische jüdische Inschriften wie zum Beispiel die biblische Segnung "Seine Seele soll eingebunden sein in das Bündel des Lebens" und über die Besonderheiten der jüdischen Zeitrechnung, die bei der Entschlüsselung der Lebensdaten berücksichtigt werden muss.

Viel Zeit und Engagement widmete er der Verdener Familie Lehmann. Der 1769 geborene Ascher Lehmann konnte sich aufgrund der durch den Code Napoleon neu gewonnenen Freizügigkeit der nunmehr gleichberechtigten Juden in Verden niederlassen und wurde Gründer einer wohlhabenden und überaus erfolgreichen Familiendynastie. Tief gläubig, voll Mut und Menschenliebe, sorgte er nicht nur für seine Familie, sondern erwies sich unter anderem in der französischen Besatzungszeit als geschickter Verhandler und Retter der Stadt vor Plünderung und Brandschatzung. Seine Urenkel veröffentlichten seine Memoiren; die Schrift "Urgroßvaters Tagebuch" ist als Broschüre unter anderem beim Gymnasium am Wall für 3 Euro zu erwerben.

Zwei Arbeitsgemeinschaften des GaW haben sich dem Anliegen Schmidt-Bollmanns und seines Achimer Mitstreiters Wolf Wendel, den jüdischen Friedhof nach dem Achimer Beispiel zu sanieren und der Gedenkstätte neue Würde zu verleihen, angeschlossen.

Julia Hellwinkel von der AG JumiC (Jugend mit Courage) und Florian Weber von der AG "Schule ohne Rassismus" waren mit ihrer Lehrerin Jutta Heinrich vor Ort.

Die Motive für sein Engagement erläutert Florian Weber: "Hier erfährt man ein Stück Heimatgeschichte: Die jüdische Gemeinde wurde einfach ausgelöscht, und insofern ist dies für uns ein symbolträchtiger Ort."
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