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Europas vergessene Minderheit

18. September 2008 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Antidiskriminierung

Die Europäische Union hat der die Ausgrenzung der Sinti und Roma den Kampf angesagt
VON DETLEF DREWES, 16.09.08, 20:10h, aktualisiert 16.09.08, 21:19h
Roma
Melania (re.) und ihre Nichte Mihaiela sind zwei der Roma, die in Frankreich in illegalen Zeltlagern leben müssen. (Foto: dpa)

BRÜSSEL/MZ. In der Slowakei werden Roma-Kinder in Schulen für Behinderte gesteckt und Mauern um ihre Siedlungen gebaut. In Rumänien leben Tausende von ihnen ohne Strom, Wasser und Kanalisation. Und in Italien gibt es Brandanschläge gegen Roma, und der Staat nimmt ihnen Fingerabdrücke. "Viele Sinti und Roma leben unter Bedingungen, die inakzeptabel sind im Europa des 21. Jahrhundert", fasste EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Lage der acht bis zehn Millionen Angehörigen dieser Volksgruppe zusammen. 500 Fachleute waren in Brüssel zur bislang größten Konferenz zusammengekommen, auf der über Hilfsmaßnahmen für "Europas vergessene Minderheit" diskutiert werden sollte.

Romani Rose, der 62-jährige Chef des Zentralrates in Deutschland, prangerte die Lage offen an: "In Südafrika hat man die Apartheid abgeschafft, in Europa gibt es sie weiter. Das, was in einigen Ländern geschieht, kann man nur mit Pogromstimmung bezeichnen." Der Angriff zielt auch auf Italien, wo es seit der Ermordung einer Italienerin durch einen aus Rumänien stammenden Roma 2007 zu massiven Übergriffen kommt. Die Regierung kündigte an, die Fingerabdrücke aller Roma erfassen zu wollen, schränkte die Maßnahme aber nach einer Intervention aus Brüssel auf jene ohne Ausweispapiere ein. Solche Sonderbehandlung sei aber nur die "sichtbare Seite der alltäglichen Diskriminierung", bestätigten Redner in Brüssel. Leben ohne Strom und Wasser in regelrechten Slums, Kinder, die in Sonder-Klassen zusammengepfercht werden - all das sei in einigen Ländern Normalität.

Das bestätigt auch Livia Jaroka. Die 33-jährige Ungarin sitzt als einzige Vertreterin ihrer Volksgruppe im Europa-Parlament und musste sich da bereits von einem bulgarischen Abgeordneten-Kollegen anhören, es gäbe "Schönere, die bei uns nur fünf Euro kosten". Welchen Beitrag die EU leisten kann, um den Angehörigen der Sinti und Roma zu helfen, blieb auch unklar. Romani Rose forderte vor allem ein "machtvolles Wort gegen den grassierenden Rassismus". Außerdem müsse die Einhaltung des Diskriminierungsverbotes in den osteuropäischen Ländern strikter überwacht werden.

Damit sind die Möglichkeiten der EU aber auch schon erschöpft. Soziale Maßnahmen, Fördermittel, bessere Bildung - all diese Instrumente unterliegen der Hoheit der Mitgliedstaaten. Brüssel hatte im Jahre 2000 schon einmal auf das Problem aufmerksam gemacht und 275 Millionen Euro an Zuschüssen für soziale Hilfen wie Gesundheitsvorsorge, schulische Unterstützung und Wohnungsbau bereitgestellt. Eine weitere Milliarde investierte die Gemeinschaft im Rahmen eines Projektes für "benachteiligte Gruppen", darunter auch die Roma.

Erst im vergangenen Jahr hatte ein Expertenteam unter Leitung der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) Empfehlungen vorgelegt, wie man die Situation diskriminierter Minderheiten verbessern kann. Da wurden bürokratische Schikanen, mangelhafte berufliche Qualifikationen und andere Diskriminierungen festgestellt. Die EU will, das sagten deren Vertreter zu, noch aufmerksamer gegen jede Benachteiligung vorgehen. Das Instrumentarium dazu bildet die Anti-Diskriminierungs-Richtlinie, die den Mitgliedstaaten die Errichtung von nationalen Anlauf- und Beschwerdestellen auferlegt. Die dortigen Mitarbeiter sollen künftig einschreiten, wenn Angehörige von Minderheiten ausgegrenzt werden. Eine Hilfe auch für die Sinti und Roma. Vertreter der Roma werfen der EU unterdessen Versagen im Kampf gegen die Ausgrenzung vor. "Die Zustände heute sind schlimmer als während der Apartheid in Südafrika", sagte gestern Rudko Kawczynski, Präsident des "European Roma and Travellers Forum". In der EU gebe es nur "Integrations-Blabla", aber keine Maßnahmen, um gegen Ghetto-Bildung und rassistische Übergriffe vorzugehen. Nicolae Gheorghe, der sich "Unabhängiger Roma" nennt, sagte, dass man Roma als Partner fördern müsse.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung 
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