Für Kölner Polizei gibt's Vorwürfe von allen Seiten
Selten hat eine Demonstration gegen Rechts wohl ein so zwiespältiges Echo in der öffentlichen und in der veröffentlichten Meinung ausgelöst, wie der Protest gegen den „Anti-Islamisierungskongress” der Rechtspopulisten von Pro-Köln. Den Kommentarspalten war nach dem polizeilichen Verbot der geplanten Hauptkundgebung vor allem Erleichterung darüber zu entnehmen, dass der breite Protest in Köln den Rechten das Mikrofon abgedreht habe; in den Internetforen der Zeitungen hingegen kritisierte die Mehrheit der Schreiber das vermeintliche Einknicken der Polizei vor linker Gewalt. Am Donnerstag haben die Vorgänge in Köln ein parlamentarisches Nachspiel: Der Innenausschuss des Landtages wird sich mit dem Polizeieinsatz beschäftigen.
Staatsrechtler: "Blamage für den Rechtsstaat"
Es wird eine Menge zu besprechen geben. Zum einen die Frage, ob es rechtens war, dass die Polizei die genehmigte Kundgebung der Rechten mit Verweis auf „unkalkulierbare Risiken” und die mangelnde Kooperationsbereitschaft von Pro Köln kurzerhand verbot. Unter Staatsrechtlern ist diese Maßnahme höchst umstritten. Der konservative Bonner Staatsrechtler Josef Ifensee nennt das Verbot „eine Blamage des Rechtsstaates” und eine „Verletzung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit”; sein Kölner Kollege Wolfram Höfling hingegen verspürt zwar einen „schalen Beigeschmack, wenn Gewaltbereite die Ausübung von Grundrechten verhindern”, geht aber von einer „Vertretbarkeit des Verbots” aus.
Die Rechtspopulisten werden heute oder morgen gegen das Verbot eine Klage beim Verwaltungsgericht in Köln einreichen, kündigte Markus Wiener, Generalsekretär von Pro NRW an. Der Vorwurf, Pro Köln habe nicht ausreichend kooperiert sei die „frechste und dreisteste Lüge, die ich jemals von einer Behörde gehört habe”, tönte Wiener am Mittwoch.
Sollte der Vorwurf der mangelnden Kooperation nicht haltbar sein, „müssen wir uns die Frage stellen, wie wir künftig genügend Polizei zur Verfügung stellen können, um das Demonstrationsrecht zu gewährleisten”, so Karsten Rudolf, der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Gegebenfalls müssten Bundesligaspiele abgesagt werden.
Bündnis gegen Pro Köln: "Menschenunwürdige Behandlung"
Auch von linken Gegendemonstranten werden schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben: Hunderte Demonstranten seien am Samstag unzulässig lange in einer Gefangensammelstelle in Brühl festgehalten worden, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche. Laut Polizei waren am Nachmittag 406 Demonstranten nach Brühl transportiert worden, darunter drei Kinder und 72 Jugendliche. Das „Bündnis gegen Pro Köln” spricht von einer „rechtswidrigen und menschenunwürdigen Behandlung” der Gefangenen, die teils mit 30 Personen in 36 Quadratmeter großen Käfigen „zusammengepfercht” worden seien.
Rechtsanwältin: "Ganz massive Versäumnisse der Polizei"
Anni Pues, eine Rechtsanwältin, die im Rahmen eines „anwaltlichen Notdienstes” vor Ort in Brühl war, kritisiert „ganz massive Versäumnisse” der Polizei. Sie habe nur mit zwei Betroffenen sprechen können, obwohl sie der Polizei eine Liste mit 70 Namen vorgelegt habe, die um rechtlichen Beistand gebeten hätten. In den Käfigen, die in einer Halle auf einem alten Kasernengelände in Brühl installiert waren, seien zudem zu wenige Decken gewesen, so dass etliche Gefangene „völlig durchgefroren” gewesen seien.
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle dürfen „In Gewahrsam genommene” Demonstranten höchstens sechs bis sieben Stunden ohne richterliche Anordnung festgehalten werden. Einer Kölner Amtsrichterin, die ab 17 Uhr ebenfalls vor Ort war, wurden aber von der Polizei bis 22 Uhr lediglich sechs Betroffene vorgeführt, bei denen sie die sofortige Freilassung anordnete. Danach verabschiedete sich die Richterin, weil sie der Meinung gewesen sei, „sowieso nichts mehr tun” zu können, wie Jürgen Mannebeck, Sprecher des Kölner Amtsgerichtes sagt. Die letzten Gefangenen wurden um 8 Uhr morgens entlassen.
Marius war unter den festgenommenen Jugendlichen
Unter den festgenommenen Jugendlichen war auch Marius, 14, aus Essen. Er wurde mit anderen von der Polizei an der Ecke Mühlenbach/Mathiasstraße für fast zwei Stunden eingekesselt. „Ich war ziemlich verängstigt”, erinnert sich der Junge, der in Köln seine erste Demonstration erlebt hat, dort wie er sagt „nur an einer friedlichen Blockade” teilgenommen hat und vom Schwarzen Block wenig hält. Nach Aufnahme seiner Personalien sei er nach Brühl transportiert worden. Dort habe er mehrere Stunden in einem Gefangenentransporter – nicht in einem Käfig – gesessen, ehe er gegen 23.30 Uhr an der Brühler Polizeiakademie von seinem Vater abgeholt werden konnte.
Anti-Islamisierungskongress in Köln - wie ist Ihre Meinung?
„Minderjährige dürfen nicht über einen längeren Zeitraum festgehalten werden”, so SPD-Innenpolitiker Karsten Rudolf, Falls die Polizei Regeln verletzt habe, „müssen personelle Konsequenzen gezogen werden”.
Laut Kölns Polizeipräsident Klaus Steffenhagen läuft derzeit mit „Hochdruck” die Aufarbeitung „der gegen die Polizei erhobenen Vorwürfe”. Sein Sprecher Wolfgang Baldes sagt: „Wenn Fehler gelaufen sind, werden wir das offen darstellen.”
Die Aufarbeitung der Vorgänge in Köln wird noch lange Zeit in Anspruch nehmen. Und die Rechten haben schon eine Neuauflage ihres islamophoben Kongresses angekündigt: Spätestens im Frühjahr kommenden Jahres soll Köln wieder zum Reiseziel der europäischen Rechten werden.
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Quelle: Der Westen