Wenn die Verbrechen sich häufen werden sie unsichtbar!
Die Geschehnisse rund um den
diesjährigen Geburtstag des Neonazitreffs
Club 88 in Neumünster
begannen am 27.9.08 und endeten am
6.10.08 mit der Behauptung der Lokalzeitung
„Holsteinischer Courier“, dass eigentlich
gar nichts passiert sei. Zum 27.9.
wurde zu einer Großdemonstration gegen
den Club 88 mobilisiert, die mit rund 800
TeilnehmerInnen eine der größten antifaschistischen
Demonstrationen während des
bisher zwölfjährigen bestehen des Club 88
war. Nachdem bereits im letzten Jahr ca.
600 Menschen zur antifaschistischen Demonstration
samt abendlichem Festival kamen,
wurde dieser Erfolg dieses Jahr noch
ein wenig ausgebaut. Die Demonstration
verlief vollständig ungestört jeglicher Naziprovokationen
und führte durch die Innenstadt
und endete auf dem Großflecken
mit einer Abschlusskundgebung. Wie im
vergangenen Jahr wurde die Demonstration
von einem Vorbereitungskreis verschiedener
autonomer Antifa-Gruppen aus Schleswig-
Holstein organisiert, und vom „Bündnis
gegen Rechts Neumünster“ unterstützt.
Das Spektrum der TeilnehmerInnen war
deutlich größer als 2007, so beteiligte sich
u.a. die Jüdische Gemeinde Pinneberg, alle
104 Delegierten des Landesparteitages der
Linken und viele SchülerInnen und BürgerInnen
aus Neumünster. Schon während des
Verlaufs stellte sich heraus, dass an diesem
Tag der Club-Geburtstag nicht stattfinden
würde, so dass bereits auf der Demo zu Protesten
am 4.10 aufgerufen wurde.
Der 27.9. war trotz oder auch wegen der
ausgefallenen Nazifeier ein Erfolg für die
antifaschistische Bewegung in Neumünster.
Die gute Beteiligung zeigt, wie präsent das
Problem Club 88 bei vielen Leuten immer
noch ist und es zeigt auch, dass die Anstrengungen
vom letzten Jahr Früchte getragen
haben, denn dieser Mobilisierungserfolg
muss auch mit der kontinuierlichen
antifaschistischen Arbeit in NMS und der,
wieder besser gewordenen Zusammenarbeit
zwischen autonomen und bürgerlichen
AntifaschistInnen, begründet werden. Dass
Polizei und Presse von nur 300 DemoteilnehmerInnen
sprechen, zeigt einmal mehr,
dass es politischer Wille ist, aktiven AntifaschistInnen
den Wind aus den Segeln zu
nehmen und sie zu diskreditieren. Leider
wurde dieser Erfolg die Woche darauf etwas
getrübt, was zeigt das weiteres Handeln
dringend nötig ist, denn es kam ja noch der
4.10. ...
Wenn die Verbrechen sich häufen
,
werden sie unsichtbar!“
So urteilte bereits Bertolt Brecht auf einer Pariser Konferenz im Juni 1933 im Bezug auf
das NS-Regime. Doch leider muss mensch feststellen, dass dieses Phänomen auch heute
immer noch aufzufinden ist.
Für diesen Tag wurde kurzfristig eine Kundgebung
am frühen Nachmittag auf dem
Großflecken und eine Gegenveranstaltung
unter dem Motto „Disco beats Club 88“ für
den Abend in der AJZ organisiert. An der
Kundgebung nahmen trotz kurzer Mobilisierungszeit
noch rund 40 AntifaschistInnen
teil. Die verteilten Flugblätter und Redebeiträge
stießen auf großes Interesse bei den
einkaufenden Passanten.
Am frühen Abend begannen die rund 120
Nazis vor dem Club 88 mit ihrer Jubiläumsfeier.
Für diese hatte die Stadt Neumünster
wie im vergangenen Jahr strenge Auflagen
erlassen. So durften z.B. nur 80 Nazis in
den Club 88 hinein. Um dieses zu umgehen,
hatten die Nazis gegenüber der Grund- und
Hauptschule eine Kundgebung angemeldet.
Durch die starke Polizeipräsenz wollte aber
wieder keine so richtige Feierstimmung bei
den Nazis aufkommen. Bis hierhin sah also
alles, gemessen an den Zuständen der vergangenen
Jahre und dem Normalzustand in
dieser Stadt, noch recht gut aus. Die Party in
der AJZ war recht gut besucht, wenn auch
eine Spontandemonstration, auf Grund der
sehr späten Kenntnisnahme von der Nazikundgebung,
nach wenigen hundert Metern
von der Polizei aufgelöst wurde.
Gegen 22 Uhr begaben sich dann plötzlich
ganze Autokonvois mit rund 80 Nazis vom
Club 88 zur Titanic, um dort an einem vorher
geplanten Liederabend mit zwei bekannten
Naziliedermachern teilzunehmen. Da für
die Titanic, obwohl deren rechtsextremer
Hintergrund nun auch nicht erst seit gestern
bekannt ist, keine Auflagen galten konnte
diese Feier ohne Probleme stattfinden. Obwohl
sich die BesucherInnen der AJZ nun
plötzlich einer deutlichen Überzahl Nazis
gegenüber sahen, wurde die Veranstaltung
in der AJZ bis 0:30 Uhr durchgeführt und
sicher beendet.
Mit einem Liederabend in einer Kneipe direkt
in der Innenstadt haben die Naziaktivitäten
in Neumünster wieder einmal einen
negativen Höhepunkt erreicht, die Betreiber
und Gäste der Titanic ihre Masken endgültig
fallen lassen und sich klar als Neonazis
positioniert.
Wer noch gedacht hätte der Holsteinische
Courier würde seine Pflicht der Informationsverbreitung
nachkommen und einer angeblich
auch vom Holsteinischen Courier
gewollten breiten Protestbewegung gegen
Neonazis- „Munition“ gegen die Titanic
liefern, also ausführlich über die Geschehnisse
informieren, wurde enttäuscht. Am
Montag war im Holsteiner Courier lediglich
zu lesen, dass knapp vierzig Nazis unter Polizeibewachung
lediglich im Club 88 gefeiert
hatten. Der Liederabend in der Titanic
fiel vollständig unter den Tisch, obwohl das
„Bündnis gegen Rechts“ bereits Sonntagmittag
in einer Pressemitteilung ausführlich
über das Geschehen berichtete.
An dieser Stelle mal eine kleine „Fußnote“
zu den Zahlen. Seit Jahren scheint es Tradition
zu sein, das von Presse, Stadtverwaltung
und Polizei die Zahl teilnehmender Nazis
an Club 88-Feiern teilweise auf bis zu ein
Fünftel der tatsächlichen Zahlen heruntergespielt
werden. AntifaschistInnen müssen
sich dann noch dem Vorwurf gefallen lassen,
das Naziproblem zu übertreiben.
Wer das Problem aber immer klein zu reden
versucht, hat auch keine Chance, ein Problembewusstsein
in Neumünster zu schaffen,
um das Ziel zu erreichen, das kein Nazi
mehr in Neumünster irgendwas zu feiern
hat. Es wäre jedoch genauso falsch, die Naziszene
in Neumünster als übermächtig anzusehen.
Gegen die Titanic hat sich in den
vergangenen Monaten endlich eine ernst zu
nehmende Kampagne entwickelt, die mit
vielfältigen Aktionen den Nazis das Leben
fortlaufend erschwert. Wir sind uns sicher,
dass diese Aktionen noch ausbaufähig sind
und eine Schließung der Titanic zusammen
und mit vereinten Kräften zu erreichen ist.
[V.i.S.d.P. Karl Böchel, Altonaer Str. 119]
Nazistrukturen aufdecken, Naziläden dichtmachen!
* Antifaschistische Aktion Neumünster *
antifa_NMS@live.de
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