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Kommissar Trojaner ermittelt !

5. Januar 2009 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Freiheitsrechte

 Guten Tag ,

allen ein frohes und neues Jahr. Leider wurde bereits kurz vor
Weihnachten das BKA Gesetz beschlossen.


Hier der Artikel:

Kommissar Trojaner ermittelt
Nach zweijährigem Streit haben Bund und Länder das BKA-Gesetz verabschiedet
Kurz vor Weihnachten machte der Bundesrat mit der denkbar knappsten Mehrheit
von 35 zu 34 Stimmen die Bescherung perfekt: Die Länderchefs nickten die zuvor
im Vermittlungsausschuss mit dem Bundesrat leicht entschärfte Version der
Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) ab. Die Wiesbadener
Polizeibehörde erhält damit unter dem Aufhänger der Terrorabwehr umfangreiche
Überwachungsbefugnisse einschließlich der Lizenz zu heimlichen Online-
Es war keine leichte Geburt: Erst wollte die SPD-Bundestagsfraktion partout die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Razzien in
Nordrhein-Westfalen abwarten, dann stellten sich nach weiteren monatelangen
Verhandlungen und dem Segen des Bundestags die Länder beim BKA-Gesetz quer. Da
konnte dem ein oder anderen Politiker in der Union, die am liebsten ein noch
viel schärferes Polizeigesetz für die Wiesbadener Behörde erlassen hätte,
schon der Kragen platzen. „Ich finde es geradezu paradox und fahrlässig, die
Terrorismusbekämpfung in die Hände des Bundes zu legen, und ihm dann nicht die
Mittel zu geben, die man im eigenen Bundesland beansprucht“, donnerte
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Zuvor hatte ihr Partei- und
Kabinettskollege Wolfgang Schäuble den Ländern bereits die Pistole auf die
Brust gesetzt: Entweder es gebe eine Einigung vor der Jahreswende, bestimmte der
Bundesinnenminister, „oder das Gesetz kommt gar nicht mehr zustande“.
Anhaltende Bedenken gab es bei führenden Sozialdemokraten. Auch die Jusos, die
mit ihrem prinzipiellen Nein zum Einsatz des Bundestrojaners in Sachsen das vom
Bundestag im November verabschiedete Vorhaben (siehe c't 25/2008, S. 48) im
Bundesrat zunächst ins Stolpern brachten, sprachen sich weiterhin gegen das
Gesetz aus. Trotzdem einigten sich Spitzenpolitiker von Bund und Ländern
bereits Anfang Dezember auf einen Kompromiss. Die SPD konnte dabei durchsetzen,
dass heimliche Online-Durchsuchungen grundsätzlich von einem Richter genehmigt
werden. Die geplante Eilfallregelung, in der die PC-Razzien auch ohne
Richterbeschluss, nur auf Anweisung des BKA-Chefs hin, möglich gewesen wären,
entfällt.

Auch über den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung soll die
Justiz gemeinsam mit dem namentlich nicht genannten Datenschutzbeauftragten des
BKA und zwei weiteren Beamten der Behörde wachen. Zudem wurden die
Zuständigkeiten des BKA und der Länderpolizeien etwas klarer definiert, damit
sich beide Seiten bei der Fahndung nicht ins Gehege kommen. Nicht durchsetzen
konnten sich die Sozialdemokraten mit ihrer Forderung, das
Zeugnisverweigerungsrecht für sogenannte Berufsgeheimnisträger in Form von
Anwälten, Ärzten oder Journalisten zu stärken.

Hurtig, hurtig

Im Galopp ging es nach der Einigung weiter. Obwohl Verbände schier täglich
vor der Untergrabung des Informanten-, Mandanten- und Patientenschutzes warnten,
elf Chefredakteure und Herausgeber namhafter Medien Mitte Dezember im
„Spiegel“ gegen einen „Anschlag auf die Pressefreiheit“ protestierten
und die Opposition weiter gegen den „Bürgerrechtskiller BKA-Gesetz“ mobil
machte, ging der Kompromiss im eigentli-chen Vermittlungsverfahren glatt durch.
Ohne weitere Aussprache nickte einen Tag später der Bundestag die
überarbeitete Fassung ab, in schneller Folge schließlich der Bundesrat.
Seit 1. Januar halten die Ermittler im personell wie technisch gut
ausgerüsteten BKA nun weitgehende präventive Kompetenzen unter dem Aufhänger
der Terrorismusbekämpfung in den Händen. Neu ist die Lizenz zum „verdeckten
Eingriff in informationstechnische Systeme“, vulgo heimliche
Online-Durchsuchung. Die Erlaubnis zum Schnüffeln etwa auf Festplatten wird
beschränkt auf die Abwehr von Gefahren für höchste Rechtsgüter wie Leib,
Leben oder Freiheit einer Person. Zulässig ist sie aber auch bei einer
Bedrohung von Gütern der Allgemeinheit, wenn es dabei um den Bestand des
Staates oder der menschlichen Existenzbedingungen geht. „Bestimmte
Tatsachen“ müssen die Annahme einer entsprechenden Gefahr nahe legen.
Bestimmungen, wie der Bundestrojaner auf die Rechner Verdächtiger gelangen
soll, finden sich in dem allgemein gehaltenen Gesetz nicht. Schäuble und seine
SPD-Kollegin im Justizressort, Brigitte Zypries, hatten sich im Frühjahr allein
darauf verständigt, dass die Ermittler für die Installation der
Spionagesoftware nicht in Wohnungen eindringen dürfen (siehe c't 17/08, S.
90). Bleiben also Sicherheitslücken, Schwachstellen oder die Dummheit mancher
Nutzer, die es für die Fahnder im Falle eines Falles ausfindig zu machen gilt.
Zum Einsatz kommen sollen laut BKA maßgeschneiderte Lösungen, die auf das
System und die Situation eines Verdächtigen zugeschnitten sind.

Umfassend

Unterbleiben muss eine heimliche Online-Durchsuchung nur, wenn sich für die
Beamten von vornherein abzeichnet, dass dabei „allein“ Erkenntnisse aus dem
eigentlich absolut zu schützenden Kernbereich abgefischt würden. Dies ist beim
Angriff auf eine Festplatte aber kaum vorstellbar, da darauf öffentliche und
sehr private Daten in der Regel gemischt abgelegt werden. Verfassungsrechtlich
Vorrang habe jedoch ein stärkerer Schutz der Intimsphäre durch einen Verzicht
auf eine Datenerhebung im Zweifelsfall, hatte Wolfgang Hoffmann-Riem, früherer
Richter am Bundesverfassungsgericht, die Koalition im Sommer noch gewarnt.
Ausnahmen dürfe es nur geben, wenn ein Verdächtiger „absichtlich und
zielgerichtet“ eine den Kernbereich angeblich betreffende Kommunikation
vortäusche, um eine Überwachung zu verhindern. Die gesamte Klausel zu
Online-Razzien geht zunächst in eine ungewöhnlich lange Probezeit: Die große
Koalition im Bundestag befristete sie bis 2020.

Das künftige Arsenal für das BKA umfasst über die heimliche
Online-Durchsuchung hinaus in den Paragraphen 20a bis x des BKA-Gesetzes unter
anderem Befugnisse für bundesweite Rasterfahndungen unter Einschluss von
Datensammlungen „nicht-öffentlicher Stellen“, den großen Späh- und
Lauschangriff auf Wohnräume mit Mini-Kameras und Wanzen sowie zur präventiven
Telekommunikationsüberwachung einschließlich Abhören der Internet-Telefonie.
Bei dieser sogenannten „Quellen-TKÜ“, also dem Abhören der
Internet-Telefonie auf dem PC eines Verdächtigen schon vor der Verschlüsselung
zur Übertragung, soll das Abgreifen allein der „laufenden“ Kommunikation
vor oder nach einer Entschlüsselung von VoIP gestattet sein. Die Grenzen zu
einer Festplatten-Inspektion, die höheren Eingriffsschwellen unterliegt, halten
Experten aber für fließend. Die Ermittler dürfen zudem Verbindungs- und
Standortdaten abfragen oder Mobiltelefone mit dem IMSI-Catcher orten. Zudem
können sie in vielen Fällen gewonnene Informationen mit Geheimdiensten
austauschen.

Auf nach Karlsruhe

Neben Verbänden der beim Zeugnisverweigerungsrecht benachteiligten
Berufsgruppen halten auch Oppositionspolitiker die endgültige Verabschiedung
des Gesetzes für verfassungswidrig. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach von einem „schwarzen Tag für die
Grundrechte“. Die stellvertretende Fraktionschefin der Liberalen im Bundestag
warf der großen Koalition vor, „große verfassungsrechtliche Probleme“ zu
schaffen. Die anhaltende Kritik am BKA-Gesetz sei „völlig berechtigt, weil
die Kumulation an heimlichen Eingriffsbefugnissen die Grundrechte der
Bundesbürger in bislang ungekanntem Ausmaß gefährdet“.

Die Vizechefin der Linken im Parlament, Petra Pau, monierte, das Gesetz wirke
„wider den Rechtsstaat“. Es verändere „die Bundesrepublik gravierend zum
Schlechteren“. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth verurteilte den Vorstoß
ebenfalls scharf: „Die große Koalition der Verfassungsfeinde aus CDU, CSU und
SPD untergraben unseren Rechtsstaat“. Zugleich erklärte sie, die Grünen
würden gegen das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Zuvor hatte
bereits der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum Verfassungsbeschwerde
angekündigt. Der Altliberale setzt dabei auf in vielfachen Verfahren in
Karlsruhe bewährte Kampfgenossen wie Burkhard Hirsch. Die innenpolitische
Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, schloss eine Organklage
ihrer gesamten Fraktion nicht aus. „Verfassungsbruch lässt sich auch durch
Wiederholungstaten nicht rechtfertigen“, erklärte sie unter Hinweis auf die
Vorratsdatenspeicherung.

Die Telepolis-Autorin Bettina Winsemann („Twister“) beauftragte ihren
Anwalt von der Humanistischen Union noch am Tag der endgültigen Absegnung des
vielfach als „faul“ titulierten Kompromisses mit einer Verfassungsbeschwerde
gegen das Gesetz. Die Bürgerrechtlerin hatte – wie Baum – bereits
erfolgreich in Karlsruhe gegen die Bestimmung zu Online-Razzien im
Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen geklagt. Sie bedauerte, „dass
erneut das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als Korrektiv für zu
weitgehende Gesetze einschreiten muss“.

Geheimnisse

Schäuble begrüßte die Entscheidungen von Bundesrat und Bundestag dagegen
„außerordentlich“. Damit sei es gelungen, ein „wichtiges
sicherheitspolitisches Gesetzgebungsvorhaben“ in dieser Wahlperiode zum
Abschluss zu bringen. Den Protesten von Berufsgeheimnisträgern widersprach der
CDU-Politiker und verwies darauf, dass die Regelungen zum
Zeugnisverweigerungsrecht im BKA-Gesetz denen in der Strafprozessordnung
entsprächen. Die Wahrung der besonderen Interessen von Ärzten oder
Journalisten würde angesichts der erforderlichen
„Verhältnismäßigkeitsprüfung“ hinreichend gesichert.

Sebastian Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags, wies die
Schelte von Medienverbänden ebenfalls zurück: „Es kann definitiv keinen
Informantenschutz geben, der höher gewertet wird als die Sicherheit des
Landes“, betonte der SPD-Politiker. „Ich stelle eine Hysterie in der
öffentlichen Diskussion fest. Die speist sich unter anderem daraus, dass einige
den Gesetzestext nicht richtig gelesen haben.“ Nun müssen sich die Karlsruher
Richter die Zeit nehmen, die Artikel genau zu studieren. (jk)

Quelle: Stefan Krempl in ct 2/2009 http://www.heise.de/ct/09/02/034/




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