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Ist ein Boykott der Durban Review Conference wirklich sinnvoll?

30. März 2009 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Antirassismus | Asyl

Ist ein Boykott der Durban Review Conference wirklich sinnvoll?

Die Nachfolgekonferenz der 3. Weltkonferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz soll in wenigen Wochen, vom 20. bis zum 24. April, in Genf stattfinden. Bei einer Veranstaltung des American Jewish Committee diskutierten Yonas Endrias, Politologe und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und Hillel Neuer, Geschäftsführender Direktor von UN-Watch über die aktuelle Situation.

Die deutsche Bundesregierung hat sich trotz Boykottaufrufen verschiedener Initiativen nicht abschließend zur Konferenz geäußert. Bisher haben sich vier Länder entschlossen, der Durban Review Konferenz fernzubleiben: die USA, Kanada, Israel und Italien. Die deutsche Übersetzung ist mit „Nachfolgekonferenz“ wenig gelungen, ist mit Review doch „Nachprüfung“ oder „kritische Betrachtung“ gemeint. Am 12.März rief der niederländische Außenminister Maxime Verhagen die Mitgliedsstaaten der EU zu einem gemeinsamen Boykott auf, andernfalls würden die Niederlande die Konferenz im Alleingang boykottieren.
In den deutschen Medien ist auch knapp vier Wochen vor dem Review außerhalb von Nichtregierungsorganisationen und Initiativen, die zum Thema Menschenrechte und Rassismus arbeiten, keine öffentliche Diskussion entstanden.

Die Auswirkungen von Durban auf Deutschland

Yonas Endrias findet es wichtig, sich als demokratischer Staat nicht hinter einem Boykott zurückzuziehen. Besonders für Deutschland war die Konferenz in Durban im September 2001 wichtig. „Ohne Durban hätte es keinen Aktionsplan gegen Rassismus der Bundesregierung gegeben. Dieser wurde im Oktober 2008 verabschiedet, bereits seit 2002 war die Erarbeitung eines solchen Plans auf Grundlage des beschlossenen §191a angekündigt. Somit habe Durban wenigstens einen Prozess angestoßen, sich mit Rassismus und Diskriminierung in Deutschland auseinanderzusetzen, so Endrias. In Deutschland werde Rassismus nach 1945 immer nur als Randphänomen der Gesellschaft betrachtet und demnach gehandelt. Zum ersten Mal habe es eine Konferenz gegeben, in der die Opfer von Feindlichkeit im Vordergrund stünden. Des Weiteren sei es eine durchweg positive Errungenschaft, dass in Durban 2001 erstmals Nichtregierungsorganisationen (NRO) in UN Prozesse eingebunden wurden. Dass das Forum der NROs zu einem laut Endrias „beschämenden“ Ergebnis gekommen sei, stehe auf einem anderen Blatt.

Endrias betont ausdrücklich, dass die Internationale Liga für Menschenrechte gegen jede Einschränkung der Meinungsfreiheit ist. Es sei nicht hinnehmbar Islamkritik als Rassismus zu bezeichnen. Von den antisemitischen Äußerungen über Israel und der vielfach singulären Nennung des Landes distanziert sich die Liga ebenfalls deutlich.
Trotzdem sei die Frage wichtig, was durch einen Boykott erreicht werden könnte. Endrias sieht in einem Boykott die Gefahr, dass undemokratischen Staaten die Plattform überlassen wird. Außerdem nehme man sich die Möglichkeit der Mitwirkung.

Der aktuelle Entwurf darf so keine Umsetzung finden

Hillel Neuer von UN-Watch, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Genf, die die Arbeit der Vereinten Nationen kontrolliert und beobachtet, ist der Meinung, dass die momentane Diskussion für oder gegen einen Boykott wenig sinnvoll ist. Neuer sieht die gesamte Durban Konferenz als Misserfolg. Keinem Opfer sei durch die Erklärung von Durban geholfen worden. Im Gegenteil: nichtdemokratische Staaten könnten sich sogar auf bestimmte Paragraphen berufen, um selbst Menschenrechte zu verletzen. Würde sich zum Beispiel eine Frau gegen die Scharia-Gesetzgebung wehren, könnten Länder wie Saudi Arabien sich auf die UN berufen und dies als Islamkritik bzw. Rassismus werten. Die aktuell vorliegende Erklärung sei zwar verändert worden, jedoch befänden sich immer noch viele kritische Passagen im Text. In vielen Paragraphen seien die Aussagen nicht im Wesentlichen verbessert worden, sondern nur hinter der juristischen Sprache der UN verschwunden. Besonders beunruhigend empfindet Neuer, dass die Kriminalisierung von Islamkriktik, die 2001 für soviel Empörung gesorgt hatte, sich in versteckter Form immer noch im Entwurf befindet. Zuvor ging es in Texten der UN immer um eine Diskriminierung einer Person aufgrund ihrer Religion und nicht um die Diskriminierung der Religion an sich. Diese und weitere Paragraphen machen den aktuell vorliegenden Entwurf für Neuer nicht annehmbar.

Obwohl auch Yonas Endrias noch großen Verbesserungsbedarf sieht, fällt sein Urteil über den vorliegenden Entwurf positiver aus. Der Politologe vertritt die Meinung, dass vieles auch dramatisiert werde. Man müsse auch die Arbeitsweisen der UN in Betracht ziehen. So sei jeder Paragraph ein Kompromiss und zum Beispiel der bereits zitierte Paragraph 10 nenne im nächsten Satz alle Religionen, nicht nur den Islam. Diesen Versuch der Inklusivität könne man durchaus auch positiv bewerten. Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee Berlin sieht dies nicht so. Man könne Islamophobie, Antisemitismus, Christianophobie und Antiarabismus nicht vergleichen. Antiziganismus, eines der zurzeit virulentesten Probleme von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, bleibe komplett unerwähnt.

Ein abschließendes Fazit zur Durban Review Konferenz kann wohl erst Ende April gefunden werden. Ob die Bundesregierung sich dem niederländischen Boykott anschließt, bleibt abzuwarten, momentan ist jedoch von einer Teilnahme auszugehen. Sieht man in einem Boykott nur ein Signal der inhaltlichen Ablehnung, ist ein solcher richtig und macht Sinn. Allerdings bedeutet ein Boykott auch immer, sich selbst die Möglichkeit des Einmischens und der Mitwirkung zu nehmen.

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Debora Sommer / Foto: DRC


25.03.2009
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