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Rede von Charly Braun in Bad Nenndorf am 1.8.2009

4. August 2009 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Kampf gegen Nazis - Norddeutschland

Bad Nenndorf 1.8.09 H-D Charly Braun, DGB-Verantwortlicher der Jugendarbeit Bergen-Belsen des Landesjugendring, DGB-Regionsvorstand und ver.di-Bezirksvorstand in der Lüneburger Heide und häufiger Gast im Landkreis Schaumburg - spricht bei der Kundgebung "Bad Nenndorf ist bunt" gegen den Nazi-Aufmarsch. ( Es gilt das gesprochen Wort )
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Liebe
Nazi-GegnerInnen in allen bunten Farben, liebe antifaschistische Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Vorweg eine aktuelle Information um deren Mitteilung ich gebeten wurde: seit etlichen Stunden sitzen junge AntifaschistInnen blockierend vorm Wincklerbad. Einige haben sich mit Beton befestigt. Inzwischen ist die Polizei dabei, diese Blockierenden zu räumen. Eine junge Frau mußte infolgedessen in die Klinik gebracht werden. Sie hat Gesicht und ein Auge verletzt, weil ein Polizist ihr die Brille im Gesicht zerschlagen hat.

Als Gewerkschaftsfunktionär halte ich breite Bündnisse ohne Ausgrenzungen für wichtig und notwendig, um Nazis zu stoppen. das antifaschistische Bündnis "NS-Verherrlichung stoppen!" und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes hat mich deshalb gebeten heute hier zu sprechen. Ich tue es.

Es ist gut, dass sich hier im Landkreis Schaumburg inzwischen viele Menschen gegen die Nazis stellen. Beim "Kulturfest Bad Nenndorf ist bunt" hat Landrat Heinz-Gerhard Schöttelndreier deutlich gesagt, dass Verschweigen und Aussitzen des lokalen Nazi-Problems nichts nutzt. Stadtdirektor Bernd Reese unterstrich das kürzlich mit den Worten: "Die Taktik, die Neonazis durch Ignorieren und Geringschätzung zu vertreiben, ist nicht aufgegangen." (SN 21.7.09).
Ja, es ist so: die Erfahrung vieler Orte beweist, dass Nazis, wenn man sie nicht in die Schranken weist, sich und ihre verbrecherische Ideologie ungehemmt ausbreiten. Das war schon in der Weimarer Republik so und ist heute noch so.

Erst als der CSU-Bürgermeister von Wunsiedel sich gemeinsam mit Vielen auf die Straße setzte und die Nazis blockierte, war das der Beginn vom Ende der dortigen Hess-Gedenkmärsche.
Wenn in Eschede neulich den Nazis das Material zur Ausbesserung der öffentlichen Straße zum Na(ht)zi-Hof von der Kommune zur Verfügung gestellt wird, verstehen die Nazis das als Einladung.
Wenn auf dem Soldatenfriedhof Essel die Nazi-Kameraden aus Celle-Schneverdingen-Schaumburg usw. nur in Kleingruppen ihre WaffenSS-Helden ehren dürfen, aber originale Altnazis der verbrecherischen WaffenSS samt anhängender Burschenschaftler vom Polizeisprecher als sog. "harmlose Trauernde" verniedlicht werden - dann ist das geschichtslos und befördert die Verhöhnung der Opfer der WaffenSS.

Die Schaumburger Nazis fallen besonders stark auf durch ihre Gewalttätigkeiten. Marco Siedbürger hat vor 10 Jahren einen in Armut lebenden Einwohner in Eschede erschlagen. Er hat ein Menschenleben auf dem Gewissen , vorausgesetzt er hat ein Gewissen. Nach der Haft wurde Siedbürger Nazi-Führer in Schaumburg und ist z.Z. mal wieder inhaftiert. Wie die anderen Schaumburger Nazigrößen, Marcus Winter und Arwid Strelow, gehört er zu den Gewalttätigsten.
Diese Gewalt gehört zur Nazi-Ideologie, denn Obdachlose zählen wie Behinderte und MigrantInnen nach Nazi-Ideologie zu den "unnützen Essern" und dürfen abgeschoben, ausgegrenzt und umgebracht werden.

Was aber tun, wenn braune Kameraden sich als nette Leute von nebenan in die Gesellschaft einschleichen?
Ja, auch solche Nazis wollen heute nach Bad Nenndorf kommen.

Wegen ihrem Blut spenden, Touristenmüll aufsammeln, Volkslaufen, Kriegerdenkmäler reinigen, Preisskat mitspielen, lobte die NPD die Kameradschaft Snevern-Jungs aus der Heide als vorbildlich.
Die SJ gewannen jahrelang an Sympathie bis in den Stadtrat hinein und sie gewannen junge Mitglieder.
Wer jedoch dagegen hielt, erhielt das Prädikat "Nestbeschmutzer" und gewerkschaftliche Aufklärungsveranstaltungen wurden vom Rathaus ausgesessen, was einem Raumverbot gleich kam.

Die SJ sind aber keineswegs harmlos. Ihrem Rassismus lassen sie u.a. mit diskriminierenden Witzen im Internet freien Lauf. Sie fehlen bei keinem Aufmarsch. Sie sind auch die verläßlichste Truppe, wenn Nazis in Bad Nenndorf was losmachen, eben auch beim Kurparklauf.
Die zuhause netten Kameraden bedrohen und schlagen aber auch schon mal JournalistInnen und AntifaschistInnen, wenn ihre braune Suppe veröffentlicht und verhindert wird.

Dank antifaschistischer Aufklärung und Widerstand werden die Snevern-Jungs zuhause inzwischen ausgepfiffen und von Preisskat und Volkslaufen ausgeschlossen. Ein Erfolg konsequenten Handelns und gewachsener Bündnisse gegen Rechts.
Das wollen wir in Bad Nenndorf, Lindhorst und überall auch hinkriegen. Statt sog. "natinal befreiter zonen" schaffen wir gemeinsam "No-go-areas für Nazis".

Das Beispiel des Widerstandes gegen die Snevern-Jungs zeigt, dass wir Einfluß und Anhangbildung der Nazis bremsen können. Es zeigt aber auch, dass Nazis nicht allein am Ausüben physischer Gewalt zu erkennen sind.

Nazi-Weltanschauung heißt:
- soziale und wirtschaftliche Probleme mit Rassismus lösen zu wollen,
- nicht den Krisen-Kapitalismus zu bekämpfen, sondern Juden als sog. "raffendes Kapital" zu diskriminieren und MigrantInnen als angebliche Arbeitsplatzklauer zu bekämpfen.
- Nazis bekämpfen Tarifverträge und Gewerkschaften und wollen stattdessen in Betrieb und Gesellschaft das Führerprinzip durchsetzen.

Diese Ideologie hat zwischen 1933 und 1945 bewiesen, dass sie zum größten Verbrechen der Weltgeschichte fähig ist. Ob jemand für diese Ideologie der Unterteilung von Menschen in wertvolle und minderwertige Skat spielt oder mordet - wir dürfen sie nicht wie Demokraten behandeln und wir können sie nicht mit dem antifaschistischen Widerstand gleichsetzen.

Mit dem sog. Trauermarsch für im Wincklerbad nach 1945 Inhaftierte, wollen Neonazis Opfer zu Tätern erklären. Zu allem was nach 1945 in diesem britischen Militärgefängnis mit Kriegsverbrechern und vermeintlichen Sowjetspionen gemacht wurde:    Wer die Alliierten anklagt, muß sich zuerst die an die eigene Nase fassen. Wer hat denn Europa mit industrieller Massenvernichtung und Vernichtungskrieg überzogen ? Die Ursache auch  fürs Wincklerbad nach 1945 heißt:    Nationalsozialismus !

Am 19.3.2007 stellte das Schöffengericht Stadthagen fest, dass der Nazi-Kopf Marcus Winter im Internet schrieb: "Holocaust-Überlebende fordern das NPD-Verbot - Wann endlich verbietet man Holocaust-Überlebende?". Er verunglimpfte obendrein Holocaust-Opfer als "Volksschädlinge" und diffamierte deren Nachkommen als "Mischpoke". Der Schmähtext gipfelte in der Forderung: "Schmeißt die Bande endlich raus."

Dass solche inhumanen und schlagenden Propagandisten noch aufmarschieren dürfen, fordert unsere Wachsamkeit, Zivilcourage und Widerstand heraus. Das ist auch nötig, weil die Mehrheits-Politik es nicht mal schafft die NPD zu verbieten. Die staatliche Polizei hält in der Regel der braunen Jauche die Straße frei, so dass sie sich ordentlich ausbreiten kann. Wo MigrantInnen als "ausnützende Ausländer" diffamiert werden, können sich Kinder "NS Black-Metal"-Musik aus dem Internet runterladen. Das sog. "Recht des Stärkeren" dudelt per I-pod in die Köpfe.

Das beste was wir an antifaschistischer Erziehung für unsere Kinder tun können, ist, selbst vorbildlich zu sein. Vorbildlich, wie es jene tun, die von Abschiebung Bedrohte mit Kirchenasyl schützen. Wie jene, die gegen Sozialabbau und Ausgrenzung von z.B. Behinderten, Alten, Pflegebedürftigen eintreten. Wie jene, die jeglichen Faschisten die Straßen, Kneipen, Vereine, Internet, Parlamente und vor allem die Köpfe verwehren. Das ist mehr als ein Verbot.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen !
Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten.
Diese braune Jauche ist als Dünger ungeeignet !
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