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blick nach rechts 18.3.13 -- Nazis marschieren in Weyhe und Verden

18. März 2013 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Kampf gegen Nazis - Norddeutschland

Rechte Trittbrettfahrer
Von Andrea Röpke / Otto Belina
18.03.2013 -
Neonazis und extrem rechte Gruppen versuchen, Gedenkfeier für den getöteten Daniel S. in Weyhe für ihre rassistische Propaganda zu instrumentalisieren – vor Ort blieben zahlreiche Aktivisten allerdings vor den Sperren und posierten für die eigene Facebook-Inszenierung.
Neonazis marschieren später mit IG Metall-Fahnen in Verden auf; Photo: W. Bruns

Die niedersächsische Samtgemeinde Weyhe mit ihren umliegenden Ortschaften wurde am Samstag weiträumig mit Polizeikontrollen versehen. Neonazis hatten angekündigt, trotz Verbots ihre Kundgebung für den 25-jährigen Daniel S. aus dem Landkreis Diepholz abhalten zu wollen. Bereits am Vormittag trafen sich knapp 2000 Menschen aus der Region zu einer offiziellen Mahnwache auf dem Bahnhofsplatz von Kirchweyhe, wo der junge Lackierer starb. Er war vor einer Woche nachts aus einer Disco gekommen, in einem Bus kam es  dann zum Streit zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen. Als Daniel S. schlichten wollte, wurde er angegriffen und derart schwer verletzt, dass er am Donnerstag im Krankenhaus verstarb. Der 20-jährige Cihan A. befindet sich als Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft.
Zuerst griff eine Kleinstgruppe der kulturrechten „Identitären Bewegung“ aus Weyhe und Bremen den brutalen Vorfall bei Facebook auf und instrumentalisierte ihn für eine Kampagne gegen „deutschfeindliche Gewalt“. Am Samstagnachmittag sollte eine Kundgebung durchgeführt werden, die wurde verboten. Extrem rechte Gruppen riefen  dennoch zur Teilnahme auf. Für Sonntag meldete die NPD Bremen eine eigene Traueraktion an, die ebenfalls verboten wurde.

„Identitärer“ erscheint mit eigenem Kameramann

Der Bürgermeister von Weyhe, Frank Lemmermann (SPD), reagierte auf das Interesse der extremen Rechten sofort und rief mit dem Präventionsrat der Gemeinde, dem Runden Tisch gegen Rechts und dem Integrationsrat zu einer würdevollen Mahnwache auf, die sich der rassistischen Stimmungsmache entgegenstellen sollte. Gegen Mittag war der Bahnhofsplatz voller Menschen. Auch viele Migranten waren mit Blumen oder Kerzen erschienen. Eine Gruppe ultrakonservativer religiöser Bremer Salafisten um Prediger Sven Lau filmte fleißig sich und das Geschehen. Die bärtigen Männer äußerten vor den Kameras vieler Fernsehteams ihr Bedauern.
An den Sperren standen mutmaßliche Neonazis, die nicht eingelassen wurden. 89 Platzverweise sollen ausgesprochen worden sein, dennoch gelang es vielen durchzukommen. Aber mit würdevollem Gedenken hatte der Auftritt einiger von ihnen wenig zu tun. Sie standen in „Alpha Industries“- oder „Thor Steinar“-Kleidung, Bier trinkend, vor dem Bahnhof.
Ein junger Mann hielt ein schwarzes Schild mit dem einfachen Wort „Warum“ hoch.  Reporter wurden auf ihn aufmerksam. Christian Wagner von den „Identitären“ war mit eigenem Kameramann erschienen. Obwohl bei Facebook geradezu hysterisch virtuell mobilisiert worden war, wirkte der dunkelhaarige Scheitelträger jedoch eher verloren. Über die „Identitären“ wollte er denn auch mit  Journalisten nicht sprechen. Er sei privat gekommen, sagte er und berichtete von seinem eigenen Disco-Besuch an dem Wochenende. Das Opfer kenne er nicht persönlich, doch er finde die Aktion gegen Rechts in Weyhe „zweifelhaft“.

Randalierende Neonazis in Gewahrsam genommen

Als Kopf der im November 2012 in Frankfurt am Main gegründeten Bundesgruppe  gilt Matthias Wagner aus Weyhe. Ursprünglich stammen die „Identitären“ aus Frankreich. Radio Bremen berichtete über den Bremer Ableger, die zwar betonten, gegen Neonazis zu sein, doch mit Andreas Hackmann einen der stadtbekannten Rechten scheinbar bei sich duldeten. Unter „Identitäre Bewegung Bremen“ schrieb einer im Internet: „Es geht darum  die  abartige, beschämenswerte Behandlung des ermordeten Daniel durch die lächerliche Selbstinszenierung eines gewissen Bürgermeisters und seiner Polit-Clique zu kritisieren und anzuprangern.“ Große Worte in der Anonymität. Inmitten der Menge wirklich betroffener junger Menschen und Einwohner stotterte der Vertreter dieser neuen Gruppierung eher nur herum, positionierte sich nicht. Lieber gab er später in einem Lokal einem Redakteur der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ungestört ein Interview.
Gegen Samstagnachmittag erschien dann eine Gruppe von rund 20 Bremer und niedersächsischen Neonazis um Altkader Jens Bischoff aus Bruchhausen-Vilsen. Als ihnen der Zugang verweigert wurde, randalierten zwei der Neonazis und wurden in Gewahrsam genommen. Ein Rechtsextremist  wurde von den Einsatzkräften gefesselt und auf den Boden gezwungen. Sein Gesicht war zerkratzt. Auch ein Trupp von Neonazis aus dem Raum Hildesheim konnte nur mit Transparent am Ortseingang von Kirchweyhe für die eigene  Facebook-Inszenierung posieren:  „Deutsche Opfer –Fremde Täter – Wir vergessen euch nicht“, stand auf dem roten Spruchband.

Neonazis marschieren mit IG Metall-Fahnen durch Verden

In den Ortskern kamen die bekannteren Neonazis nicht. Im sozialen Netz erzürnten sich die Gemüter im Laufe des Nachmittags immer mehr. Das in Kirchweyhe seien Verhältnisse „wie in der DDR“ wetterte daraufhin ein weiterer Kritiker im Internet. Der couragierte Bürgermeister von Kirchweyhe wurde als „kleiner Dorfstalinist“ und der Pastor,  Mitinitiator des Runden Tisches in Weyhe, als „verkommener Pfarrer“ beleidigt.
Am späteren Nachmittag fuhr eine Gruppe von Rechtsextremisten um den ehemaligen stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Matthias Behrens aus Schneverdingen, Verdener und Rotenburger Neonazis, ein Mitglied der „Norddeutschen Trommlergruppe“, „Autonome Nationalisten“, Hildesheimer Kameradschaftsanhänger sowie  Markus Privenau, Andreas Hackmann aus Bremen  über die Landkreisgrenze zum Bahnhof nach Verden an der Aller. Einsatzwagen der Polizei waren bereits vor Ort. Dort marschierten die Neonazis ausgerechnet mit zwei IG Metall-Fahnen durch die Innenstadt und schrieen ihre rassistischen Parolen. Am Bahnhof bei der Abreise kam es erneut zu Rangeleien. Die Pressestelle sprach von „Widerständen zum Nachteil von Polizeibeamten“ und einer „versuchten gefährlichen Körperverletzung“.  Gegen drei gewaltbereite Neonazis wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet.

 

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Anmerkung:  
Malte Bormann/ Verden und Oliver Adam Rotenburg waren u.a. dabei.

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