Dorfmark 19.4.14 Demo-Reden gegen Ludendorffer
Rede H-D Charly Braun, DGB-Kreisvorsitzender bei der Demo des "Bündnis-gegen-Ludendorffer" Ostersamstag 19.4.14 in Dorfmark
- Es gilt das gesprochene Wort -
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Liebe antifaschistische Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute finden u.a. in Bremen, Hannover, Wolfsburg, Buchholz/ Nordheide Ostermärsche gegen auslandsorientierte Militäraktionen und abschottende Flüchtlingspolitik statt. Die Wolfsburger haben mir solidarische Grüße nach Dorfmark mitgegeben. Rassismus und Krieg - da besteht ein enger Zusammenhang.
Krieg und Rassismus hinterlassen blutige Spuren, sind mörderisch.
Sollen wir nach den Skandalen um den mörderischen faschistischen NSU dem Geheimdienst Verfassungsschutz noch trauen ?
Der VS hält es nicht für nötig, die rassistischen Ludendorffer überhaupt zu beobachten. Und andere plappern deren Verharmlosungen auch noch nach.
Ich aber sage euch: Wer rassistische Organisationen, wie Ludendorffer verharmlost, sie einfach als überalterte, bald aussterbende Gruppe darstellt, - wer das tut, verkennt oder leugnet, dass der Rassismus heute in den Köpfen von 25% der Bevölkerung verankert ist. Das bestätigen jedes Jahr neu die wissenschaftlichen Untersuchungen der FES (Friedr.-Ebert-Stiftung) und anderer Institute. In den Köpfen von Ludendorffern und vielen vielen Menschen darüber hinaus steckt der Unsinn angeblicher Ungleichheit von Menschen. Manche sollen wertvoller, andere nur als rechtlose Arbeitstiere brauchbar sein.
Unsinn ist ebenso, dass sog. Ausländer uns die Arbeitsplätze wegnehmen und dass Roma oder andere Flüchtlinge nur sog. Schmarotzer des deutschen Sozialsystems seien. Solchen gezielten Unsinn hören wir nicht nur von NPD und Sarrazin, sondern auch von manchen Regierungsleuten. Zu recht sind Wortschöpfungen wie "Überfremdung" und "Sozialtourismus" zu Jahres-Unwörtern ausgewählt worden. Niemand wird freiwillig zum Flüchtling. Aber wer als Flüchtling hier her kommt, muss bürokratische erniedrigende Behandlung über sich ergehen lassen. Viele leben jahrelang in Angst, tägliche Angst vor gewaltsamer Abschiebung, und häufig obendrein vor Bürgerinitiativen gegen Flüchtlingsansiedlung.
Nicht Zugewanderte nehmen uns angeblich Arbeitsplätze weg, Nein nicht Hossein Özdemir oder Sabah Acar machen das, sondern die Banken und Konzerne, die nur ein Ziel kennen: ihre Profite in unendliche Höhen steigern. Die sind es auch, die mit Hilfe von Hilfswilligen der Politik besonders seit 1989 Sozialabbau betreiben. Und wer sozial ausgegrenzt wird, hat gute Chancen genau deshalb Opfer von faschistischer Gewalt und Mord zu werden. Obdachlose, Behinderte, MigrantInnen sind die meisten Opfer rechter Ideologien.
Die Nazis vor 1945 haben all jene, die sie als Gegner ausmachten oder die für sie in der Produktion nicht nutzbar waren, millionenfach ermordet. Heute trainieren sie wieder. In den letzten 25 Jahren sind mindestens 182 Menschen von Neonazis in Deutschland ermordet worden.
Und der deutsche Staat schiebt sogar schwerkranke Menschen in Armutsländer ab und trennt deren Familien. Erst am Montag wurde eine solche Abschiebung in Wolfsburg durch couragierten Widerstand verhindert.
Der Rassismus ist nicht nur in der Mitte der Gesellschaft zuhause, er hat auch seine ideologischen Schulen. Eine davon sind die Ludendorffer. Und dass die Ludendorffer kein friedlicher abgeschlossener Club sind, beweist die Ausbreitung ihrer menschenfeindlichen Weltanschauung und die schlagkräftige Umsetzung durch die Naziszene. Ein anderer Beweis für die Gefährlichkeit der Ludendorffer sind deren prominente Referenten und Gäste in Dorfmark, wie Hajo Herrmann, Steffen Hupka, Ursula Haverbeck-Wetzel, Richard Melisch. Damit der Nazi-Weltkriegsheld Hajo Herrmann bloß nicht fotografiert wird, schlugen Ludendorffer 2010 in Dorfmark vorm Hotel zur Post auf Journalisten ein. Steffen Hupka schlug 2012 gleich selbst auf Journalisten. Die Haverbeck ist bekannte Holocaust-Leugnerin und ihr rassistisches Institut in Vlotho wurde verboten. Der Österreicher Richard Melisch ist im rechten Lager, bei FPÖ, NPD und 2013 auch bei den Ludendorffern in Dorfmark als Referent zu Globalisierung und neue Weltordnung unterwegs.
Die Ludendorffer sterben leider nicht aus. Auch biologisch sorgen sie in ihren Familienverbänden für politischen Nachwuchs. Ludendorffer sind auch hier in unserer Nähe zuhause, in Soltau, Mengebostel, Eilte, Walsrode u.a.
Wir haben keinen Grund die Ludendorffer zu dulden.
Dass dieser Staat nach 1945 durch viele Nazis mit aufgebaut wurde, dass ehemalige Nazis in Politik, Justiz, Bildung, Wirtschaft, Militär, Geheimdienste dann wieder bestimmen, Geschäfte und Karrieren machen konnten - und zwar bis ins Bundeskanzleramt - das ist ja wohl schlimm genug. Kein Wunder, der Schoß ist fruchtbar noch.
Seit 2007 protestieren wir hier auf der Straße gegen Ludendorffer. Auch die Jugendlichen des Internationalen workcamp Bergen-Belsen aus Israel, Osteuropa und Südafrika tanzten und schrieen hier ihren Protest. Einige Dorfmarker stießen heftige rassistische Beleidigungen gegen diese jungen Menschen aus, wie z.B: "bei Hitler haben die Neger nicht auf der Straße getanzt". Darüber berichteten überregionale Medien. Der Stadtrat sah sich unter Druck und beschloss eine Resolution, mit der Hotels und Pensionsvermieter aufgefordert wurden, keine Ludendorffer zu beherbergen. Diese Erklärung ist ein Papiertiger geblieben. Alle vermieten weiterhin an die Rassisten. Stattdessen werden wir AntifaschistInnen und AntirassistInnen immer noch von allerlei Leuten zu Nestbeschmutzern erklärt. Auch heute wurde ich mal wieder von einem Dorfmarker dumm pöbelnd angemacht.
Nur langsam ändert sich was in Dorfmark. Ihr habt es gesehen: dahinten an der Scheune eines bekannten liberalen Ratsherrn hängt ein Transparent gegen Ludendorffer. Einige Dorfmarker beweisen Courage und beteiligen sich seit Jahren an unseren Protesten. Und wir werden auch nicht weniger.
Wir haben bereits genug Nazi-Probleme in der Umgebung. Trotz Nutzungsverbot (das wir mit unseren Protesten erst durchsetzten) halten Kameradschaften auf dem Soldatenfriedhof Essel Heldenfeiern mit SS-Parolen ab. In Schneverdingen, Munster und im Kreistag des Heidekreis sitzen Nazis in Kommunalparlamenten. Die neue Partei "Die Rechte" konnte in Munster ihren Landesverband Niedersachsen gründen. In Walsrode versuchen sich wieder mal junge Nazis zu etablieren.
Und während der Bundespräsident zu Courage gegen Nazis auffordert, hat man vor einer Woche in Soltau mal wieder eine Straßenkundgebung der NPD toleriert. 2 Tage zuvor hat der Stadtrat grad mal ein "Nicken gegen die NPD" in der Ratssitzung hinbekommen. Wirklich, sie haben nicht mal abgestimmt, sondern einfach mal mit dem Kopf genickt. Die NPD macht sich in ihrer homepage darüber lustig und nennt das Koppnicken eine "schon fast militante Art des antifaschistischen Widerstandes". Weil die NPD praktisch toleriert wurde, haben wir eine Kampagne losgetreten. Da die Verantwortlichen von Verwaltung und Politik scheinbar formal alles richtig gemacht haben, so haben sie aber mit ihrem Verschweigen der NPD-Anmeldung den antifaschistischen Widerstand verhindert. Sie sind keine Vorbilder für Demokratie und Zivilcourage.
Das beste was wir Älteren unseren Kindern für eine menschliche Gesellschaft mitgeben können, ist vorbildliches Handeln, wie jene, die Flüchtlinge vor Abschiebung mit Kirchenasyl schützen, wie jene, die als Hartz4-Arme Sozialämter besetzen, wie jene, die schlechte Pflegeheime anprangern und dabei manchmal ihren Job riskieren und wie jene, die Nazis die Straßen, Räume und Köpfe verwehren und blockieren.
Nazi-Propaganda, auch der Ludendorffer in Dorfmarker Sälen, ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wenn der Staat den braunen Sumpf nicht trocken legt, stattdessen uns bespitzelt und Unterstützende unseres Protestes gar vor uns warnt, dann ist die Welt verkehrt. Dann müssen wir selbst den Faschismus vertreiben.
Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Staaten, sondern zwischen oben und unten. Nieder mit FASCHISMUS UND RASSISMUS ! Kein Tisch und Bett für Ludendorffer !
Und: Ihr werdet's vermuten: Wir sind die Guten !
Klaus Jordan vom „Netzwerk Südheide …“