Rockerbanden gewinnen an Einfluss in Niedersachsen
Hannover. Sie gehen arbeitsteilig vor, nutzen legale Geschäfte, handeln im Verborgenen jedoch mit Drogen, Waffen, Menschen – Gruppen, die sich der organisierten Kriminalität verschrieben haben. In Niedersachsen haben sie im vergangenen Jahr einen Schaden von 35 Millionen Euro angerichtet, wie Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Dienstag berichtete. Besonderen Raum in Schünemanns Lagebild 2010 nahm die Rockerkriminalität ein, denn vor allem im Rockermilieu sind die Übergänge zwischen legalen und verbrecherischen Geschäften fließend.
„Der sogenannte Friedensschluss von Hells Angels und Bandidos in Hannover hat an den konfliktträchtigen Expansionsbestrebungen offenkundig wenig geändert“, sagt Schünemann. Denn die von Mitgliedern dieser Gruppierungen begangenen Straftaten seien den typischen „Deliktsfeldern“ des organisierten Verbrechens zuzuordnen.
Vor gut einem Jahr hatten Führer von Hells Angels und Bandidos in der Kanzlei des hannoverschen Rechtsanwaltes Götz von Fromberg medienwirksam einen „Friedensschluss“ inszeniert. „Doch seit dem sogenannten Friedensschluss gab es Neugründungen von Rockerniederlassungen über das ganze Land“, sagt der Innenminister. Bei dem Friedensschauspiel sei es vornehmlich darum gegangen, die jeweiligen Claims abzustecken. Fahnder schätzen, dass derzeit etwa 500 Männer in Rockerklubs agieren, sogenannte „Supporters“ (Unterstützer) eingeschlossen.
Dem „Charter“ der Hells Angels in Hannover ordnen Schünemann und seine Kriminalisten dabei eine Schlüsselrolle zu – als Geburtshelfer für die „Red Devils MC“. Die Expansion dieser Rockergruppierung, die Klubs in Göttingen, Braunschweig, Cuxhaven und vielen anderen Orten hat, wird nach Schünemanns Angaben von Hannover aus gesteuert. Die Hells Angels Hannover nehmen demnach eine Führungsrolle nicht nur in Niedersachsen, sondern in Deutschland ein.
Schünemann riet Lokalpolitikern und Verwaltungen dringend, Abstand von solchen Gruppierungen zu nehmen, auch wenn sie in einigen Städten wie etwa Walsrode als Sicherheitskräfte auftreten. „Bisher haben sich die Unterstützer auf wenige Gebiete konzentriert, jetzt ist die flächendeckende Verbreitung angestrebt.“
Obwohl die organisierte Kriminalität nach Schünemanns Worten eine Gefahr der freiheitlichen Grundordnung bedeute, hält der Minister Forderungen nach einem bundesweiten Verbot für unrealistisch. „Das ist derzeit nicht möglich.“ Das heiße aber nicht, dass nicht einzelne Gruppierungen verboten werden könnten, sagte der Innenminister. Nur sei es juristisch schwierig, den Banden die Gefährdung des Rechtsstaates im Einzelnen nachzuweisen. Zu den kriminellen Hauptaktivitäten der Rockergruppen zählten neben Gewaltdelikten vor allem Waffen- und Drogenhandel.
Quelle: Peiner Allgemeine Zeitung 20.07.2011