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Hannover: Antifa-Demo durch Misburg

30. März 2008 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Kampf gegen Nazis - Norddeutschland

Hannover: Antifa-Demo durch Misburg
AutorIn des Beitrags 30.03.2008 05:42 Themen: Antifa
Am vergangenen Samstag demonstrierten ca. 250 Menschen in Hannover-Misburg gegen die lokale Nazi-Szene und ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Abgesehen von Provokationen am Rande verlief die Demo ohne Zwischenfälle.
Misburg ist ein Stadtteil im Osten Hannovers mit streckenweise dörflichem Charakter. Hier kam es in den letzten Monaten vermehrt zu Aktivitäten vorwiegend jugendlicher Nazis wie dem Verbreiten von Aufklebern, Flugblättern und Sprühereien sowie dem Aufstellen von NPD-Infoständen. Im November 2007 fand diese Entwicklung ihren vorläufigen negativen Höhepunkt in einem Angriff auf zwei alternativ gekleidete Schülerinnen, die von einer Gruppe Nazis bespuckt und geschlagen wurden. Umstehende PassantInnen schritten nicht ein. Später wurden die Schülerinnen erneut von Nazis mit Gewalt bedroht und aufgefordert, ihre Anzeigen wegen Körperverletzung zurückzuziehen. Die Nazis behaupteten, Misburg sei eine „national befreite Zone“, in ihre GegnerInnen nichts zu melden hätten. Immerhin erreichte die NPD hier bei den Landtagswahlen im Januar 2,2 Prozent (ca. 200 Stimmen) und lag damit über ihrem Schnitt.

Weil in Misburg die lokale Nazi-Szene trotz dieser Geschehnisse bislang nicht als Problem ernst genommen und bekämpft wird und die Nazis ihr Gerede von einer „national befreiten Zone“ offenbar tatsächlich glauben, fand am 29.03. eine antifaschistische Demonstration statt. Zu der Demo unter dem Motto „Gemeinsam gegen rechte Strukturen vorgehen“ hatte das „Bündnis gegen Rechts Misburg“ aufgerufen, das sich vorwiegend an die Misburger Bevölkerung wandte und im Vorfeld zwei Info-Veranstaltungen vor Ort durchführte. Unterstützt wurde die Demo von einigen linken hannoverschen Gruppen.

An der Demo beteiligten sich ca. 250 Leute, der Großteil davon aus der linken Szene Hannovers, dazu AnwohnerInnen aus Misburg und ein paar Auswärtige. Die relativ lange Route führte fast drei Stunden durch Misburg entlang einiger Wohnungen und Treffpunkte von Nazis wie „Kalle“ und Daniel Vieting. Am Ort des besagten Nazi-Angriffs wurde eine längere Zwischenkundgebung durchgeführt. Reden wurden vom Bündnis gegen Rechts Misburg, von der Antifaschistischen Aktion Hannover, der Linkspartei, einer der angegriffenen Schülerinnen und der Roten Aktion Kornstraße beigetragen und stießen auf positive Resonanz. Auf Transparenten war u. a. „Den rechten Vormarsch stoppen“, „Misburg ausmisten“ und „Deutschland halt’s Maul“ zu lesen. Am Rande der Demo wurden die in großer Zahl vorgefundenen Nazi-Aufkleber entfernt.

Die Demo hatte einen lockeren Charakter und verlief ohne Zwischenfälle, war mal mehr und oft weniger laut und präsentierte sich optisch als schwarzer Zug mit roten Fahnen. Diejenigen MisburgerInnen, die sich der Demo trotz dieses Erscheinungsbildes anschlossen, wurden gegen Ende durch zunehmend konfrontative Parolen („Daniel Vieting / aus der Traum / bald liegst du im Kofferraum“) und Musik („Antifa Hooligans“ etc.) abgeschreckt. Zum Glück entgingen ihnen deshalb wenigstens die gruseligen Redebeiträge der DKP und der SDAJ bei der Abschlusskundgebung („Liebe Kameradinnen und Kameraden“ blablabla Faschismus ist Angriff des Finanzkapitals auf die Werktätigen blablabla Einheitsfront der Arbeitermassen wird die Nazis dann nach der Revolution aus Misburg vertreiben blablabla).

Die Polizei demonstrierte starke Präsenz mit Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, Pferden und Hunden, lief aber „nur“ locker Spalier und machte bis auf eine Personalienkontrolle und vereinzelte Nörgeleien (wegen Fahnenstangen, Vermummung etc.) keinen Stress. Verhaftungen oder Ingewahrsamnahmen von DemoteilnehmerInnen gab es wohl keine.

Vereinzelt ließen sich Nazis und rechte Prolls in Sichtweite der Demo blicken. Zu einer direkten Konfrontation kam es aber nicht, da die teils alkoholisierten Jungs umgehend polizeiliche Begleitung gestellt bekamen und durch Polizeiketten zugestellt wurden. Ein Nazi-Kleinstgrüppchen um Patrick Heise, das sich der Demo auf Kollisionskurs näherte, wurde von der Polizei abgefangen und zumindest Heise wurde mitgenommen. Andere hannoversche Nazis hatten es vorgezogen, zur gleichzeitig stattfindenden Nazi-Demo nach Lübeck zu fahren.

Insgesamt eine entspannte Demo, die ihr Ziel, in Misburg Aufmerksamkeit und Problembewusstsein für die Aktivitäten der lokalen Nazi-Szene zu schaffen, erreicht hat. Zugleich wurde ein Zeichen der Solidarität mit den AntifaschistInnen vor Ort gesetzt und den Nazis deutlich gemacht, dass Misburg keine „national befreite Zone“ ist und sie mit weiteren antifaschistischen Interventionen rechnen müssen. Ob sich das gesellschaftliche Klima in Misburg nun auf die ein oder andere Weise zu Ungunsten der Nazis verändert, bleibt abzuwarten, aber ein Impuls ist gesetzt.

Mit intensiveren Mobilisierungsaktivitäten hätten sicher mehr Leute für die Demo gewonnen werden können. Ob Redebeiträge orthodox-marxistischer Politsekten mit Positionen aus der Dimitroff-Gruft nötig/hilfreich/akzeptabel sind, sollte kritisch diskutiert werden, ebenso wie die Frage, ob die optische Dominierung der Demospitze von SDAJ-Fahnen eine erstrebenswerte Außenwirkung ist.
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